17. August 2015

Sind wir gastfreundlich?

Noch ein Nachtrag zum Bibeldialog zur Freundschaft:

"Im Abschlussgottesdienst war am Tisch des Wortes ein Stuhl frei. Das hatte seinen guten Grund. Der war nicht frei im Gedächtnis an die kranke Frau, die kurzfristig ihre Teilnahme absagen musste; auch nicht an die Holländerin, an die wir eine Karte geschrieben haben, weil sie gar nicht mehr kommen kann. Zwei Frauen aus Siebenbürgen mussten vorzeitig abreisen und der Künstler mit den vielen Instrumenten war auch nicht dabei mehr. Alle haben wir ein bisschen vermisst und meine Gedanken sind an die Bibelwochen mit Gottfried und Kurt gegangen, die aus der Zeit genommen wurden und die Ewigkeit bereichern.
Irgendwie sind sie mit in meinem Denken und Fühlen und wundersame Dankbarkeit steigt auf, wenn ich an Bewahrung und Fügung denke.

Aus den Erzählungen der Altvorderen höre ich die Beschreibung der Tischsitten, wie ein Gedeck mehr bei den Hauptmahlzeiten an Sonn- und Feiertagen gebracht wurde und wie die dem Hof zugeteilten Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter selbstverständlich mit am Tisch saßen. Da bekommt die die Flucht aus Hinterpommern überstandene Familienbibel eine Dimension der Beständigkeit, die mir erst jetzt bewusst wird, da die Erzählungen verstummt sind und auch Vater nichts mehr erzählen kann, weil sein Erdkreis sich vollendet hat. Wie gut, dass ich das Zuhören genutzt habe.

Mein Denken und Fühlen kommen zurück in die Runde der Bibelwoche. Ich höre das Credo der Gruppe und die Fürbitten, die davon sprechen, die Notleidenden und die Verfolgten nicht zu vergessen. Ich sehe die Kerzen leuchten auf den bunten Tüchern und spüre den Duft der Lilien zusätzlich über die Augen hinaus im sicherer Umhüllung mit den Gewächsen vom Wegrand.
Das Kreuz inmitten dieser Blicke weist auf die Verheißung hin „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“ (Joh.15,14)
Da wird der Tisch des Wortes zum Tisch des Herrn und die einladenden Worte zu Brot und Wein verwandeln die Aufmerksamkeit nochmal anders. Beim Weitergeben des Brot des Lebens und des Kelch des Heils nimmt die Musik mich mit in die Fragen nach meiner, nach unserer Gastfreundlichkeit. Die vielen Flüchtlinge finden weder Verständnis noch ein Dach. Dennoch bin ich dankbar, dass es in unserem Land diese Erfahrungen gab und wir jetzt zusammen rücken müssen in Beantwortung dieser Herausforderung. Wie gastfreundlich bin ich eigentlich?
Nehme ich diese wertvolle Erfahrung aus der Tradition auf oder sperre ich mich?

Wie lese ich die Legende, die ich bei Elie Wiesel fand.
Die jüdische Legende behält von Elia gerade die Züge seiner wiedergewonnenen Menschlichkeit in Erinnerung: Er ist „Freund und Gefährte(...) aller, die der Freundschaft, des Trostes und der Hoffnung entbehren. Dem Zyniker bringt er Gewissheit; dem Wanderer einen Schimmer von Licht und Wärme. Dem Weisen ist er ein Lehrer; dem Träumer ein Traum: das ist Elias" (Elie Wiesel).
Dazu lese ich: Zum Passafest wird Elia an der Festtafel ein Stuhl freigehalten. Auf dem Weg durch die Passionszeit mag uns diese Geschichte bewegen, uns in unserem eigenen Lebenshaus umzuschauen, zu prüfen, wie wir es uns eingerichtet haben. Haben wir dort einen Platz frei für den Boten der Hoffnung, der Sehnsucht und des Trostes? Denn, wenn der Gast kommt, sollten wir bereit sein, ihm einen Stuhl anbieten zu können, um uns von ihm erzählen zu lassen.

Da ist das Bild wieder, was ich gesucht habe. Zum Ende der Tagung bekomme ich ein Bild von dem Freund der Bibelwoche geschenkt, das den Altar der Marienkirche zu Wittenberg von Lucas Cranach d. Ä. schmückt. „Religion ist Gespräch unter Freunden“ titelt der verschenkende Freund das Blatt. Es ist mehr. Es ist die immerwährende Einladung, die Tischgemeinschaft zu pflegen mit dem, der es jetzt und heute braucht. Einer braucht ein Gespräch, eine andere einen Rock und wir alle brauchen das einladende offene Zelt. Dazu fallen mir die Worte eines Seelsorgers und Arztes ein: Komm in unsre laute Stadt, Herr, mit deines Schweigens Mitte, dass, wer keinen Mut mehr hat, sich von dir die Kraft erbitte für den Weg durch Lärm und Streit hin zu deiner Ewigkeit. Komm in unser festes Haus, der du nackt und ungeborgen. Mach ein leichtes Zelt daraus, das uns deckt kaum bis zum Morgen; denn wer sicher wohnt vergisst, dass er auf dem Weg noch ist.

Da sind die Überlegungen auf 2016 hin : „anders denken – anders fühlen - MUT zum Sein“ und andere Themenvorschläge fest im Blick. Dennoch bleibt die Herausforderung der Gegenwart, die Fragen nach Gerechtigkeit und Frieden im Auge zu haben und die Flüchtlingsströme einzuordnen aus diesen Fragestellungen. Wieviel Platz ist an unseren Tischen?

KD L. Ehmke, 16.8.2015

14. August 2015

REDEN WIE MIT EINEM FREUND - Vom Wert der Freundschaft

Statt selbst zu posten lasse ich diesmal Klaus-Dieter vom Leitungsteam sprechen. Wie so oft findet er die Worte, um die ich viele Worte mache. Es war eine gute Zeit, eine freundschaftliche Zeit trotz großer Hitze war auch die menschliche Wärme spürbar und genießbar.

"Ich habe nun viele Bibelwochen, die jetzt Bibeldialoge heißen, erlebt und weiß in diesem Jahr gar nicht, was einem noch besser begegnen könnte. Ist das Hochmut? Ist das mangelnde Kritikfähigkeit? Vielleicht liegt das aber auch daran, dass dieses Thema so anrührend ist und uns als Vorbereitungsgruppe mehr noch als zuvor freundschaftlich verbunden hat.
Über die Freundschaft
Liebenswürdige Worte vergrößern den Freundeskreis,
angenehme Rede ist willkommen.
Die dich grüßen, seien zahlreich,
dein Vertrauter aber sei nur einer aus tausend.
Willst du einen Freund gewinnen,
gewinne ihn durch Prüfung;
schenke ihm nicht zu schnell dein Vertrauen.
Mancher ist Freund je nach der Zeit,
am Tag der Not hält er nicht stand.
Mancher Freund wird zum Feind,
unter Schmähungen deckt er den Streit mit dir auf.
Mancher ist Freund als Gast am Tisch,
am Tag des Unheils ist er nicht zu finden.
Trifft dich ein Unglück, wendet er sich gegen dich
und hält sich vor dir verborgen.
Von deinen Feinden halte dich fern,
vor deinen Freunden sei auf der Hut.
Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt;
wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden.
Ein treuer Freund ist unbezahlbar,
nichts wiegt seinen Wert auf.
Alle, die den Ewigen achten, erhalten ihre Freundschaft aufrecht,
denn wie sie sich selbst verhalten,
verhalten sich auch ihre Mitmenschen.
Dieser alte Text aus Jesus Sirach, 180 v. Chr., stand heute in Teilen im Gottesdienst uns vor Augen.
Es feierten 35 Menschen aus 5 Ländern Europas, die sich teilweise zuvor noch nie gesehen hatten, Gottesdienst miteinander und reichten sich Brot und Wein, die auf dem Tisch des Wortes zuvor unter den alten Worten der Freundschaftszusage Jesu auf die Weitergabe gewartet hatten. Diese Gottesdienste gestalten sich zu den Höhepunkten dieser Begegnungstage.
Mit Schwanenwerder haben wir einen luxuriösen Tagungsort gefunden, den uns das Personal immer so wunderbar gestaltet. Die Ev. Akademie zu Berlin ist uns im allem sehr behilflich und Frau Dr. Tamara Hahn organisiert fast alles und übernimmt regelmäßig die inhaltliche Ausrichtung eines Spezialthemas und führt so manchen in ungeahnte Fähigkeiten. Das macht Freude und lässt uns wunderbar zusammen arbeiten. Die Bibelarbeiten von Heinz Wöltjen waren in diesem Jahr (wieder) perfekt. Das ausgedruckte Werk in all seiner fleißigen Recherche misst immerhin 26 Seiten und wird so mancher, so manchem noch als Vorlage dienen für Gemeindenachmittage und -abende zum Thema „Vom Wert der Freundschaft“. Der Pfarrer im Ruhestand aus Lemgo hat nach seinen eigenen Angaben viel Zeit dafür eingesetzt, aber auch, weil uns zusammen dieses Thema mindestens seit Januar beschäftigt. Christine und Ekkehard Seeber aus Oldenburg haben in ihrer Arbeitsgruppe „Freunde haben – Freundschaft leben“ immer mehr Anwärter als freie Stühle. Das spricht dafür, dass Austausch und Zuspruch zusammen gehören. In der Gruppe „Ziemlich beste Filme“ hatten wir den Regisseur Dirk Kummer zu Gast und sahen zusammen sein „Geschlecht weiblich“ von 2003. Überhaupt hat sich die verschiedene Herangehensweise an die Themen sehr ausgezahlt. Selbst der literarisch-musikalische Abend wurde in seiner Vielfalt zum Thema „Freundschaft“ ein wichtiges Mosaiksteinchen der Erkenntnis, dass jene Freundschaft ein wertvoller Schatz sei, der durch nichts aufzuwiegen sei. Insgesamt hatten sich 39 Menschen seit Sonntag aufgemacht, dem Thema nachzugehen; anfangs mit Pfarrerin Kathrin Hermann als Einstieg, der wunderbar gelang. Mit Karin Elias, der Märchenerzählerin aus Berlin, und Thomás Najbrt aus Prag trafen sich zwei, die ohne lange Absprachen einen perfekten Abend ablieferten.
Der Büchertisch, den Heinz Wöltjen mitbrachte, ist wieder eingepackt. Die theologischen dicken Elaborate lagen gleichberechtigt neben den Kinderbüchern. Die Lieder aus Polen, Tschechien und Siebenbürgen/Rumänien sind verklungen, ebenso wie die Loblieder für den Musikus und seine Ehefrau, die heute vor 50 Jahren geheiratet haben. Die Noten der Kleinen Wannsee-Serenade sind verpackt und werden, so Gott will und wir leben, nochmal 2016, vom 7.-11.8. auf den Flügel gelegt. Dann lauschen wir wieder interessiert dem neuen Thema und der Musik, die uns umgeben.
Dann hören wir wieder auf das Morgenlob mit Carmen Bianus Gebeten aus Broos/Siebenbürgen.
In diesem Jahr haben wir nochmal mehr gesungen, auch gern bis Mitternacht auf der Terrasse, bis uns nur noch die Sternschnuppen am Himmel über dem Wannsee zuhörten.
KD L. Ehmke"

11. August 2015

Ich sehe Dich - Sehe ich Dich ? - als FreundIn

Vorgestern ging schon der letzte Bibeldialog für Haupt- und Ehrenamtlich ein Diakonie und Pflegeberufe zu Ende. Trotz der traurigen Gewissheit, dass es im nächsten Jahr keine Tagung speziell für diese Zielgruppe geben wird, und trotz der Erkrankung und Absage von Rainer und Annemarie, die sonst diese Tagung seit vielen Jahren geleitet haben, gab es viele sehr schöne Momente, die wir dank Gerds achtsamer Anleitung und Grazynas charmanter Begleitung und Betreuung genießen konnten. Es waren viele "Neue" dabei, so dass vielleicht auch deshalb die Aussicht auf ein Wiedersehen in neuer Gesellschaft und einem anderen Bibeldialog nicht ganz undenkbar ist. :-) Ich hoffe jedenfalls, recht viele der Teilnehmenden im nächsten Jahr wiederzusehen.
Wir haben einander wahrgenommen, vielleicht intensiver als sonst bei einer Tagung, viele Informationen und neue Gedanken aufgenommen und uns schließlich auch angenommen wie einen Freund oder eine Freundin.
Für mich ein perfekter Übergang zum Bibeldialog, der gleich anschließend begann: Freundschaft ist nun unser Thema.  Pastorin Kathrin Herrmann hat uns in ihrem Einstiegsvortrag am Sonntag ein breite Palette als Impuls mitgegeben, mit der wir das Bibelstudium und die Kleingruppen weitergestalten können. Freundschaft im Alten Testament, wo Gott mit Mose redet "wie mit einem Freund", und zwischen David und Sauls Sohn Jonathan. Freundschaft im Neuen Testament, wo Jesus Freund ist - seinen Jüngern und uns. Aber auch unsere Freundschaften hier und jetzt, kritisch gesehen bei Facebook und lyrisch betrachtet im Poesiealbum. Freundschaften im Film und die Freundschaft mit uns selbst. An vier Tagen lässt sich das Thema nicht umfassend und in der Tiefe behandeln. Aber vielleicht nehmen wir alle Anregungen mit, die uns Freundschaften in einem neuen Licht sehen lässt.

7. August 2015

Ich sehe dich - sehe ich dich?

Wahrnehmen oder "für wahrnehmen" liegen oft eng beieinander. Vorgestern begann unser Bibeldialog zum Thema Wahrnehmen, Aufnehmen, Annehmen. Achtsamkeit ist das Thema, das die 25 Teilnehmenden (zwischen 9 und 78 Jahre und aus 5 verschiedenen Ländern) durch die Tage begleiten wird. Ob mit kleinen Schnellportraits, beim Kuchenessen auf dem Dampfer, beim Bibel-Teilen oder auch ganz allein mit dem Text in der wundervollen Natur rund um unser Tagungshaus auf Schwanenwerder: intensive Gespräche wechseln sich ab mit heiteren und entspannten Momenten.

The day before yesterday, we started our Bible Dialogue around the topic of mindfulness. Being mindful with one another and our surroundings can be a quick portrait, eating a piece of cake on a boat, sharing a Bible text or meditating all alone on a text. It can be quite serious and also humorous and relaxing. The beautiful garden around our conference venue Schwanenwerder certainly contributes - especially in the heat of summer.