29. November 2022

Immer wieder neu Hoffnung wagen

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Advent ist eine Zeit des Wartens – warten auf die Geburt eines Kindes, das die Welt erlösen soll. Das ist nun mehr als 2000 Jahr her und so richtig erlöst scheint die Welt bis heute nicht zu sein. Gestern habe ich Mevlidas Text für den Adventsblog der Evangelischen Akademie gepostet bzw. verlinkt. Ihre Ausdauer, trotz aller Widrigkeiten nie aufzugeben, hat viele Leser:innen beeindruckt. Hoffen fällt niemandem immer leicht. Deshalb will ich heute auch noch einen Nachtrag zur aktuellen Situation in Bosnien und Herzegowina posten, den mir Mevlida auch geschickt hat.

„Im November 2022 sind es 27 Jahre seit dem Friedensabkommen von „Dayton“. Wie hat sich die Gesellschaft in Bosnien und Herzegowina gewandelt. Ca. zehn Jahre nach dem Friedensabkommen haben die Menschen in Bosnien und Herzegowina noch von den Vorräten aus der Vorkriegszeit gelebt. Die neoliberale Privatisierung begann Anfang 2000er. Eine kleine Gruppe hat sich im Krieg bereichert, und das korrupte Handeln der nationalistisch orientierten Politiker beschleunigte die Privatisierung. Massenhafte Entlassungen der Arbeiter führten zur Verarmung der Gesellschaft. Die Kriminalität nahm zu. Die Nachkriegsgenerationen sind in einer vom Krieg zerrütteten und verfeindeten Gesellschaft geboren. Die territoriale Grenze zwischen den im Krieg verfeindeten Ethnien wurde nicht festgelegt. Diese Grenze entstand in den Köpfen der Menschen.

Die Versöhnung und Aufarbeitung der Kriegsgeschichte hat nicht staatgefunden. Die politische Herrschaft vermittelte einseitige Erklärung der Geschichte und ideologisiert die Nachkriegsgesellschaft.

Mit Projekten im Jugendhaus „Una“ in Kozarska Dubica (Republika Srpska) versuche ich, diese Ideologisierung zu durchbrechen. Wir wollen den jungen Menschen eine Perspektive geben, in diesem Land Bosnien und Herzegowina das Zusammenleben wieder aufzubauen.

Viele hochausgebildete junge Menschen verlassen Bosnien und Herzegowina, weil sie keine Chance sehen, einen Job zu bekommen. Und wenn sie doch einen Job haben, müssen sie unter prekären Bedingungen arbeiten und werden nicht regelmäßig bezahlt.

Die Menschen sind verarmt, und der Gesellschaft fehlt die politische Kraft, die Wahlen in Bosnien und Herzegowina wirklich demokratisch zu gestalten. Da die Menschen unter der Existenzgrenze leben, achten sie nicht auf die demokratischen Kriterien, und geben ihre Wahlstimme dem Kandidaten, der ihnen Vorteile verspricht. Dieses Land braucht demokratische Stimmen und demokratisch gebildete Wähler.“

Advent ist eine Zeit des Wartens und oft reicht warten allen nicht aus. 2022 haben wir den ersten Bibeldialog in Dubica erleben dürfen – und ich hoffe, nicht den letzten. Unser Hotel erlaubte einen wunderbaren Blick über den Fluss hinüber nach Kroatien in die EU. Im Tagungsraum wurden Grenzen beiseitegelegt. Grenzen zwischen Orthodoxen und protestantischen Christen und Muslimen, Grenzen zwischen Deutschen, Serb:innen, Litauern und Bosniaken, alle Kinder eines Gottes. In der Moschee studierten wir gemeinsam die Bibel und lernten einen Jesus kennen, der ebenfalls Grenzen überschritt um Menschen zu erreichen. Was ich von Putevi Mira und von Mevlida gelernt habe: Frieden ist kein Zustand, sondern ein Prozess, den wir immer weiter vorantreiben müssen. 

Danke, Mevlida, Danke, Cima, und Sadija und all den Frauen von Putevi Mira (Friedenswege)


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