Liebe Gemeinde, traditionell
ist in unserer Kirche der 2.Advent von folgendem Thema geprägt: die
Wiederkunft Christi. In jedem Gottesdienst sprechen wir im
Glaubensbekenntnis: „…von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden
und die Toten…“. Gleich zu Beginn eines neuen Kirchen-jahres – an diesem
2.Advent – denken wir darüber nach, dass Jesus Christus nicht nur
damals geboren, gestorben und auferstanden ist, sondern dass er auch
wiederkommen wird. Der Blick in die Vergangenheit öffnet uns in der
Gegenwart die Hoffnung auf die Zukunft. So hören wir den für diesen
Adventssonntag vorgeschlagenen biblischen Text aus dem Brief des
Jakobus, 5.Kapitel die Verse 7+8:
Haltet nun also geduldig aus, Geschwister, bis der Herr wiederkommt!
Denkt an den Bauern, der darauf wartet, dass auf seinem Land die
kostbare Ernte heranreift. Ihretwegen fasst er sich in Geduld, bis der
Herbstregen und der Frühjahrsregen auf das Land gefallen sind. Fasst auch ihr euch in Geduld und stärkt eure Herzen ´im Glauben`, denn das Kommen des Herrn steht nahe bevor.
Am
2.Advent spüren wir Erwachsenen schon die innere Spannung, dass uns mit
all den Weihnachtsvorbereitungen nicht mehr viel Zeit bis zum Fest
bleibt. Wir müssen noch allerhand bewegen und tun. Dieser Befindlichkeit
widerspricht die biblische Aufforderung zur Geduld und hilft auch nicht
so recht weiter. Außerdem erleben wir bei Kindern im Advent eine immer
stärker werdende Ungeduld. Das Warten ist wirklich nicht leicht.
Wer
von uns findet jetzt noch die Ruhe zum Nachdenken darüber, warum und wie
mit der Adventszeit das Ereignis der Wiederkunft Christi verbunden ist?
Unsere Gedanken und Erinnerungen sind eher erfüllt von den
traditionellen weihnachtlichen Sitten und Bräuchen in unserem Umfeld und
von solchen, die wir in unseren Familien ererbt haben. Gerade diese
Erinnerungen bewirken oftmals die gegenwärtige Spannung und Hektik in
uns, so dass wir kaum dazu kommen, unsere Gedanken auf die froh machende
Hoffnung in der Zukunft zu richten. Dabei kann ein Blick in die uns
Christen versprochene Zukunft das Starren auf die Gegenwart entlasten
und unser Gefangensein in der Erinnerung an die Vergangenheit lösen. Die
realen Ängste, Mühen und Sorgen um die Vorbereitungen des kommenden
Festes würden ihre bedrückende Belastung verlieren. Denn die wahre
Bedeutung von Weihnachten, diese biblische Botschaft, wird dann wieder
in den Mittelpunkt rücken. Sie lautet: Gott kommt uns entgegen und macht
uns Mut. Am Horizont dieser Welt erwartet uns Christen der Gott, der
sich der Menschen erbarmt hat: der gnädige und barmherzige und geduldige
Gott des Lebens. Dieser ist nicht der Vorsitzende eines
Strafgerichtshofes, sondern der gütige Herr, der uns unter all unseren
Lasten sieht und uns aufrichten möchte.
Gott
hat uns durch die Auferstehung Christi und die Verheißung eines Lebens
in der Nähe Gottes alle Angst genommen vor dem Strafgericht und vor
jeder Art von Abgründen der Hölle. Wenn wir unseren christlichen Glauben
ernst nehmen und wirklich darauf vertrauen, dass Jesus Christus für
unsere Schuld gestorben ist und uns durch seine Auferstehung zu einem
neuen Leben bei Gott befreit hat, dann bedeutet die Aussage im
Glaubensbekenntnis „von dort wird er kommen zu richten …“ keine
Verurteilung, kein Strafgericht.
Stattdessen
können wir mit Freude aufatmen: Gott wird uns aufrichten! So wie es im
Wochenspruch heißt: „Seht und erhebt eure Häupter, weil sich eure
Erlösung naht.“
So
gilt: Den Blick als Wartende aufzurichten auf den gekreuzigten Jesus.
Wie Gott ihn nicht allein ließ, so lässt er uns in unserem Leid, mit
unserer Schuld, mit unserer Angst und Ungeduld, mit unseren
Gewissensbissen nicht allein. Wir müssen nicht aus Furcht vor dem
Gericht Gottes auf die Knie fallen und uns nicht ausmalen, was da alles
auf uns zukommen kann. Nein, wir sollen uns in unserem Warten
gegenseitig die Herzen stärken, wie Jakobus schreibt.
Dieser
liebende Gott nimmt uns alle Ängste und schenkt uns stattdessen das
Vertrauen in sein Wiederkommen, so dass wir uns jetzt ganz nüchtern und
sachlich der bestehenden Welt mit all ihren Schrecknissen zuwenden
können. Die dreimalige Aufforderung zur Geduld in dem Jakobusbrief
bedeutet nicht: Jetzt Hände in den Schoß legen und abwarten, was kommt.
Nein, sondern so wie der Theologe Eberhard Jüngel einmal gesagt hat:
„Geduld ist der lange Atem der Leidenschaft.“ Liebe Gemeinde: der
Leidenschaft! Ja, Geduld ist das genaue Gegenteil von Resignation!
Wenden
wir also getrost erhobenen Hauptes den Blick auf die eigenen Probleme
und die der anderen: Da ist Hunger und Elend in der Welt, Gewalt und
Ungerechtigkeit. Bemühen wir uns z.B. in der derzeitigen
Flüchtlingsproblematik, nicht nur in den eingefahrenen Gleisen zu denken
und zu handeln. Der Advent Christi mutet uns viel Fantasie zu sich zu
bemühen, wie es unter uns weniger Tränen geben kann. Denn in der Zeit
des Wartens setzen wir die Werke Christi fort, Werke des Friedens, der
Menschenliebe, der Versöhnung und der Gemeinschaft. Hoffen wir also in
unserem Handeln gemeinsam auf den, der alle Tränen von unseren Augen
abwischen wird, wenn er wiederkommt. Dann wird der Tod nicht mehr sein,
und Leid und Schmerz werden von der Erde verschwinden. Es kommt der Tag,
an dem unsere müden Knie und schlaffen Hände gestärkt werden. Wir
werden die Barmherzigkeit und Gnade und Geduld Gottes dann erleben, an
die wir jetzt schon glauben.
Für
mich ist die kleine Episode sehr eindrucksvoll, die aus dem Parlament
eines amerika-nischen Bundesstaates aus dem Beginn des vorigen
Jahrhunderts erzählt wird:
„Während
einer Sitzung des Parlamentes irgendwo im Mittelwesten trat eine
Sonnenfinsternis ein. Eine Panikstimmung drohte auszubrechen. Der gerade
redende Abgeordnete gab ganz ruhig zu bedenken: `Meine lieben
Abgeordneten! Es gibt jetzt nur zwei Fragen mit dem gleichen Resultat.
Entweder der Herr kommt, - dann soll er uns bei der Arbeit finden, oder
er kommt nicht, - dann besteht kein Grund, unsere Arbeit zu
unterbrechen.`“
Liebe
Gemeinde, diese Haltung und Einstellung ist dem christlichen Glauben
angemessen. Es wird mit dem Wiederkommen Christi gerechnet, aber eben
nicht mit Angst oder im Sinne einer Berechnung aufgrund von
Naturereignissen, die sich auf das Ende der Welt konzentrieren und
darüber die gegenwärtigen Aufgaben und Herausforderungen aus den Augen
verlieren. Wir leben heute gleichsam in einer Zwischenzeit bis zur
Wiederkunft Christi. In gewisser Weise sind wir „Wanderer zwischen zwei
Welten“: zwischen der alten vergänglichen Welt, in der wir heute leben,
und der neuen Welt, die uns Jesus Christus schon eröffnet hat und in die
er wiederkommt.
Von
David Ben Gurion, dem damaligen Ministerpräsidenten Israels stammt der
Ausspruch: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Bleiben wir
also lieber Realisten; vertrauen wir auf das Wunder, dass Jesus Christus
wiederkommt, um uns endgültig aus allen Zwängen und gefahrvollen
Bindungen dieser Welt zu lösen. Verlieren wir nicht den Glauben an
Wunder in dieser Zeit des widersprüchlichen Lebens. Noch existiert der
Adventsbetrieb mit der menschlichen Spannung und Hektik, aber zugleich
hören wir jedes Jahr die Aufforderung, gelassener und froher, mit mehr
Leidenschaft zu warten. Wir haben das Fundament und das Ziel unseres
christlichen Glaubens im Herzen: Jesus Christus i s t gekommen und er w i
r d kommen, zu suchen, was verloren ist; aufzurichten, was gebeugt ist; zu befreien, was uns gefangen hält; zu heilen, was verletzt ist.
Weil
Gott zum Greifen nahe ist, darum setzt uns das Warten im Advent in
Bewegung. Diese Adventsbotschaft der Wiederkunft Christi birgt in sich
eine kreative Hoffnung, die uns positiv ansteckt und Mut macht. Unsere
adventliche Hoffnung ist gleichsam ein trotziger Widerstand gegen die
dunklen Seiten des Lebens, gegen unsere menschliche Angst und
Verzweiflung. Es gibt keinen Ort und keinen Winkel auf dieser Erde, wo
Gott nicht nahe wäre, seit er so Mensch geworden ist wie wir. Aus diesem
Grunde hoffen wir auch auf den Mut für die Zumutung, an die Wiederkunft
Christi zuglauben. Wir brauchen Mut, Lebensfreude und Kontakt zu Gott
im Gebet, damit diese frohe Botschaft bestimmender Maßstab für unser Tun
und Denken ist.
Am Ende unseres Lebensweges steht kein finsterer Abgrund im
Gericht, sondern da geschieht die befreiende Begegnung mit Gott. Er
selbst richtet uns auf. Wie so
ein Christenleben schon heute in der Nähe Gottes gelebt werden kann,
beschreibt Lothar Zenetti mit den nachdenkenswerten Worten:
„Was keiner wagt, das sollt ihr wagen;
was keiner sagt, das sagt heraus;
was keiner denkt, das wagt zu denken;
was keiner anfängt, das führt aus.
was keiner sagt, das sagt heraus;
was keiner denkt, das wagt zu denken;
was keiner anfängt, das führt aus.
Wenn keiner ja sagt, sollt ihr´s sagen;
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein;
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben;
wenn alle mittun, steht allein.
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein;
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben;
wenn alle mittun, steht allein.
Wo alle loben, habt Bedenken;
wo alle spotten, spottet nicht;
wo alle geizen, wagt zu schenken;
wo alles dunkel ist, macht Licht.“
wo alle spotten, spottet nicht;
wo alle geizen, wagt zu schenken;
wo alles dunkel ist, macht Licht.“
Der
Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere
Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.
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