30. Juli 2020

Warten ist menschlich - Waiting is human

*** You can find the English translation to this text in a separate post - please scroll down to the post of  few minutes ago.
Hajnalka gehört seit vielen Jahren zum Team der Studientagung für Theologiestudierende, die sie selbst einmal als Teilnehmerin besucht hat, und die sie mit ihrer Kreativität entscheidend mitgeprägt hat.
So singt König David in dem Psalmlied. Sehnliches Warten – in diesem Zeichen sind auch unsere letzten Wochen und Monate vergangen. Wir haben so sehr auf das Treffen mit den Theologiestudierenden aus ganz Europa in Polen gewartet. Wie auf vieles andere müssen wir dieses Jahr auch auf diese Begegnung verzichten. Die Bibelwoche haben wir auf nächstes Jahr verschoben und hoffen, dass unsere Sehnsucht erfüllt und ein erneutes Treffen möglich wird.
Das Warten gehört zum Leben gehört und wir sind lebenslang dabei, uns im geduldigen Warten zu üben. Die letzte Zeit fordert aber uns alle heraus: Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Oder wie geht es Ihnen heute damit? Können Sie es gut? Warten? Oder fällt es Ihnen eher schwer? – Wenn Sie zu den Glücklichen gehören, die nicht Mühe haben mit Warten, dann freut es mich.
Ich selber merke, kürzere, übersichtliche Zeitspannen auszuwarten, kann ich ganz gut. Wenn ich sehe, wie sich die Schlange vor der Tür des Arztes kürzer wird, bin ich hoffnungsvoll, dass ich auch bald an die Reihe komme. Wenn die Ampel lange rot zeigt, aber ich sehe, dass die Autos langsam aus allen Richtungen durchgefahren sind, bin ich zuversichtlich, als Nächste bin ich dran. Wenn es aber um Warten auf ungewisse Ergebnisse geht, kann ich es gleich weniger gut.
Zu den alltäglichen Geduldsübungen, wie abends auf den Schlaf zu warten oder wann endlich die Sommerferien beginnen, sind neue Herausforderungen dazugekommen:
Warteten auf den Anruf Ihrer Liebsten, die nicht persönlich vorbeikommen durften. Oder dass jemand die Einkäufe bringt. Oder auf eine Therapie oder Operation, die wegen des Ausnahmezustandes verschoben wurde. Wir mussten lernen, vor dem Laden zu warten – wenn schon genug Menschen sich darin befanden. Es gab lange Tage ohne Ablenkung. Vielleicht machte sich auch Langeweile breit. Viel Warten war angesagt.
Das Warten zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte. Auch in der Zeit der ersten Christen waren nicht alle gleich geduldig. Der Apostel Paulus hatte ein Problem: Viele Christinnen und Christen warteten darauf, dass Christus in Bälde wieder aus dem Himmel zu ihnen zurückkehren werde. Doch die Wiederkunft blieb aus. Das christliche Leben, erkannte Paulus, ist eine Wartezeit, bis der Herr wiederkommt. Der Messias war da, hatte in der Welt gelebt und ist nach seinem Tod in den Himmel aufgefahren – und nun muss die Welt auf ihn warten. Aber wie?
Zwei Dinge sind Paulus wichtig: Die Christen sollen sinnvoll und gemeinschaftlich leben. Und sie sollen die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi nicht aufgeben. „Geduldig warten“, heisst das Gebot der Stunde, denn „wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung“ (Röm 8,25).
Das christliche Leben ist eine Wartezeit, eine ausgedehnte Adventszeit. Dietrich Bonhoeffer hat darüber so geschrieben: „Advent feiern heißt warten können; Warten ist eine Kunst, die unsere ungeduldige Zeit vergessen hat. Sie will die reife Frucht brechen, wenn sie kaum den Sprößling setzte; aber die gierigen Augen werden nur allzuoft betrogen, indem die scheinbar so köstliche Frucht von innen noch grün ist, und respektlose Hände werfen undankbar beiseite, was ihnen so Enttäuschung brachte. Wer nicht die herbe Seligkeit des Wartens, das heißt des Entbehrens in Hoffnung, kennt, der wird nie den ganzen Segen der Erfüllung erfahren. Wer nicht weiß, wie es einem zumute ist, der bange ringt mit den tiefsten Fragen des Lebens, seines Lebens, und wartend, sehnend ausschaut bis sich die Wahrheit ihm entschleiert, der kann sich nichts von der Herrlichkeit dieses Augenblicks, in dem die Klarheit aufleuchtet träumen, und wer nicht um die Freundschaft, um die Liebe eines anderen werben will, wartend seine Seele aufschließt der Seele des anderen, bis sie kommt, bis sie Einzug hält, dem bleibt der tiefste Segen eines Lebens zweier Seelen ineinander für ewig verborgen.
Auf die größten, tiefsten, zartesten Dinge in der Welt müssen wir warten, da gehts nicht im Sturm, sondern nach den göttlichen Gesetzen des Keimens und Wachsens und Werdens.“ (Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931, DBW Band 10, Seite 529)
„Sehnlichst habe ich auf den HERRN gewartet“ (Ps 40,2) Der Beter ist entgegen aller menschlichen Erfahrung davon überzeugt, dass es sich lohnt zu warten. Er erlebt das immer wieder, dass sich sein sehnlichster Wunsch erfüllt, nämlich dass Gott ihn hört und ihm hilft. David machte damit gute Erfahrungen und findet es sinnvoll, sich während des Wartens im Gebet an die guten Erfahrungen mit Gott zu erinnern. Der Vers kann auch zu unserem persönlichen Gebet werden:„Sehnlichst habe ich auf den HERRN gewartet, auf seine Hilfe habe ich gehofft. Er hat mein Schreien gehört und hat mir geholfen.“ (Ps 40,2)
Pfarrerin Dr. Hajnalka Ravasz

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