25. Dezember 2021

Stille Nacht ...

 *** Sorry, no English translations this week. I am on vacation for Christmas.

Verena lebt seit einigen Jahren auf Teneriffa und noch viele Jahre länger ist sie eine der engagiertesten Leiterinnen der Bibeldialoge. Sie ist Prädikantin und hat uns deshalb diese Weihnachtspredigt für den Blog geschenkt. Die Predigt ist so reich an guten Gedanken, dass ich den zweiten Teil, der sich mit den Aussagen dieses wunderbaren Kirchenliedes beschäftigen wird, erst  morgen einstellen werde.  Heute erfahren wir etwas über die Entstehung des Liedes Stille Nacht.
Danke, Verena!
 

Ist das nicht ein Wunder? Kein Preisausschreiben hat gelockt, keine Fernsehshow „Wir suchen das schönste Weihnachtslied“, kein berühmter Dichter hat zur Feder gegriffen, kein Komponist von Weltrang die Töne komponiert, kein gefeierter Sänger das Lied aus der Taufe gehoben. Und doch ist es um die Welt gegangen.

Es erklingt in Kathedralen und Domen, in kleinen Dorfkirchen, auf den Kreuzfahrtschiffen und Fischfangdampfern rund um die Welt, in allen Erdteilen wird es gesungen, selbst bei Weihnachts-flüchtlingen hier unter tropischen Palmen und natürlich auch in der verschneiten Bergbauernhütte. Überall, wo Menschen das Geheimnis von Bethlehem nacherleben möchten, tönt es: „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Sogar auf den Schlachtfeldern des 1. und 2. Weltkrieges schwiegen die Waffen, wenn dieses Lied über das Radio ertönte. Voller Sehnsucht nach einer friedlichen, heilen Welt, oft genug mit Tränen in den Augen sangen die Soldaten mit, oder versuchten es zumindest. Ein Stück Verbundenheit mit den Lieben in der Heimat, auch heute noch bei den Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. Grund genug, heute „dem Weihnachtslied“ schlechthin zu gedenken und es zu bedenken.

Ich hatte einmal aus dem Park rund um die Heilige-Nacht-Kapelle in Oberndorf – das liegt in der Nähe von Salzburg –Zapfen und Nüsse mitgebracht, die ich Euch gern präsentiert hätte. Jedoch haben sie die drei Umzüge seit unserem Besuch im September 2014 nicht überlebt.  Mein Mann und ich konnten uns dem Zauber des Platzes nicht verschließen, auch wenn wir uns die Kapelle noch ein wenig romantischer vorgestellt hatten – hoch über einem Bergbauerndorf vielleicht.

Doch wie hat es zugetragen, damals, als das Lied entstand?

Alle Welt erzählt sich: Am Heiligen Abend des Jahres 1818 war in Oberndorf Katastrophenstimmung. Die Orgel war ausgefallen. Was sollte das für eine Christmette werden – ohne Orgel? In seiner Not setzte sich Pfarrer Josef Mohr hin und dichtete ein Weihnachtslied, rannte damit zum Dorfschullehrer Franz Gruber und bat ihn, dazu eine Melodie zu schreiben. Und in der Mette trugen die beiden, der eine Tenor, der andere Bass, mit Gitarrenbegleitung zum ersten Mal das Lied vor, das einen Siegeszug um die Welt machen sollte: „Stille Nacht, heilige Nacht“.

So schön diese Entstehungslegende ist, so unwahrscheinlich ist sie - leider. Denn ein Archivfund von 1995 ganz klar ans Licht gebracht: Den Text von „Stille Nacht“ hat Josef Mohr bereits zwei Jahre früher geschrieben, als er noch in einer ganz anderen Pfarrei tätig war, im Jahre 1816 in Maria Pfarr. Das Gnadenbild dieser Kirche zeigt das Jesuskind mit Locken. Das gab Mohr die Idee für seinen „holden Knaben im lockigen Haar“.

Dass sein Weihnachtsgedicht auf dem Siegeszug um die ganze Welt war, hat Mohr in seinem Leben nie erfahren. 1848 ist er an Lungenentzündung gestorben. Es waren Kaufleute, die das Lied aus dem Salzburger Land in die großen Messestädte wie Leipzig und von dort aus in alle Welt gebracht haben.

Aber das Geheimnis des Welterfolgs von „Stille Nacht“, die tiefe Emotionalität, die jeden berührt, hat mit dem Leben des Josef Mohr selbst zu tun. Nie hat er es weiter gebracht als bis zum Hilfspfarrer. In seiner Heimatdiözese Salzburg wurde er ständig von einer Stelle auf die andere geschoben. Er starb völlig mittellos als Pfarrvikar von Wagrain im Hinterland von Salzburg.

Dass er nie auf eine renommierte Pfarrstelle gesetzt worden ist, hängt vermutlich damit zusammen, dass er als uneheliches Kind geboren wurde. Als drittes Kind einer ledigen Frau kam er zur Welt. Und deren „fleischliche Verbrechen“ wurden in der Pfarrchronik ihrer Gemeinde ausdrücklich festgehalten. Die Älteren unter uns wissen, welcher Spießrutenlauf ledigen Müttern mit unehelichen Kindern zugemutet wurde. „Bankerten“ hat man die Kinder genannt. Nicht nur, dass diese Kinder auf eine geborgene Atmosphäre in einer Familie verzichten mussten, auf sie wurde auch noch mit dem Finger gezeigt. Sie hatten in der Gesellschaft kaum eine Chance.

Auf diesem biographischen Hintergrund gehört, ist „Stille Nacht“ ein Sehnsuchtslied. Es besingt die Sehnsucht nach Geborgenheit, Zusammenhalt, Sich-aufgehoben-Wissen bei Vater und Mutter, Geschützsein, nach einer glücklichen, frohen Kindheit: „… einsam wacht nur das traute, hochheilige Paar … Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund“.

Eigentlich besingt Josef Mohr, was ihm im Leben gefehlt hat. Und eigentlich besingt er, was er im Glauben zu finden hoffte. Und vielleicht ist es genau das, was Menschen an diesem Lied so berührt: diese Sehnsucht nach Geborgenheit, die in keinem Leben ganz gestillt wird. Und diese Hoffnung, dass ich in meinem Glauben erfahren darf: Egal, wie mir das Leben mitspielt, einer lässt mich nicht fallen.

Morgen geht es dann um den Liedtext selbst...

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