4. März 2022

Passionszeit

 *** Too much to do to offer translation for today's post. But e-mail me if I should translate this for you over the weekend.

Danke, liebe Elke, für Deine Predigt. Die Passionszeit hat begonnen und Deine Predigt hat meine Gedanken auch darauf zurückgelenkt. Und zugleich hat sie mich nachdenken lassen über die Kriegsrealität gleich nebenan.

Predigt zu Markus 8, 31-34 - Die erste Leidensankündigung 

Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten und den Hohen Priestern und den Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er sprach das ganz offen aus. Da nahm ihn Petrus beiseite und fing an, ihm Vorwürfe zu machen. Er aber wandte sich um, blickte auf seine Jünger und fuhr Petrus an: Fort mit dir, Satan, hinter mich! Denn nicht Göttliches, sondern Menschliches hast du im Sinn. Und er rief das Volk samt seinen Jüngern herbei und sagte zu ihnen: Wenn einer mir auf meinem Weg folgen will, verleugne er sich und nehme sein Kreuz auf sich, und so folge er mir.

Gnade und Friede, liebe Gemeinde, ist mit uns von dem, der war, der ist und der kommt.

Wir befinden uns kurz vor der Passionszeit. Jesus begegnet seinen geliebten Jüngern ernst. Im Evangelium haben wir seine eindrücklichen Worte der ersten Leidensankündigung gehört. Ganz offen spricht er aus: Ich, der Menschensohn, muss viel leiden, werde von unseren Lehrern verspottet und getötet, und nach drei Tagen auferstehen. Jesus konfrontiert seine Weggefährten mit der harten Realität. Das war für sie schwer erträglich. Hatten sie doch all ihre Hoffnung auf den Messias, der die Welt rettet und mit Liebe regiert, gesetzt. Die Worte der Auferstehung konnten die Jünger zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen. Und nun zieht er sich und seinen Weggefährten die schützende Maske ab und führt allen ungeschminkt die Zukunft vor Augen. Seine Leidensgeschichte, sein Tod, - unausweichlich!

Kurz zuvor hatte er doch erst 5000 gespeist, Kranke geheilt, Menschen geliebt und ihnen den wunderbaren Gottvater gepredigt. Ja, sogar über das Wasser kam er den Jüngern entgegen. Besonders Petrus hatte da besondere Erfahrungen. Das konnte jetzt nicht mit Jesu Tod enden. Petrus empört sich, macht dem geliebten Meister lautstark Vorwürfe - wohl verständlich für alle 12. Und Jesus? Er nimmt nicht eines seiner Worte zurück, er tröstet nicht, nein er fährt Petrus sogar an und maßregelt ihn scharf: Fort mit dir, Satan, hinter mich! Nicht Göttliches hast du in Sinn, sondern allzu Menschliches.

Mit Petrus und den anderen Jüngern erschrecke ich. Dass Jesus den Satan in seinem geliebten Jünger, vielleicht auch in mir, sieht, - schwer hörbar für mich! Noch schlimmer seine Zurückweisung: hinter mich mit dir! Ich habe so gern den Freund, den verstehenden Lehrer, den tröstenden Jesus, den Heiland bei mir.

Warum ist Jesu Reaktion auf die Worte des Petrus so harsch: Geh weg von mir, Satan!

Sollte Jesus nicht verstehen, was hier mit Petrus passiert? Sollte er nicht erkennen, dass Petrus absolut geschockt ist, dass es nur menschlich ist, in traumatischen Situationen oder nach unglaublichen Aussagen erst mal zu fühlen und dann auszusprechen: das darf doch nicht wahr sein?! Versteht Jesus denn nicht, dass Petrus Protest der Strohhalm ist, an den er sich klammert?

Sehen wir den Menschen Jesus. Für ihn lauert hier die Versuchung, den Weg nach Jerusalem und den Kreuzestod zu vermeiden. Und es gibt es eine Erinnerung. Jesus wurde in der Wüste vom Satan versucht. Der warb mit Allmacht: Nimm den einfachen Weg. Widersetze dich dem Willen des himmlischen Vaters, geh nicht nach Jerusalem, diene Gott und dem Nӓchsten nicht, stirb nicht für diese verfluchte Menschheit – bete mich, Satan, an, und alles gehört dir! Kein Leiden, kein Sterben, wie kannst du dies nicht wollen? So Satan, was übrigens im Hebrӓischen einfach nur Versucher oder Verführer bedeutet. Jesus weiß er hat keine Wahl, er muss aushalten. Deshalb seine barsche Antwort an Petrus.

Vielleicht ist die einzige Art und Weise, wie der Mensch Jesus mit der erneuten Versuchung umgehen kann, Petrus für den Moment hinter sich zu schicken. Vielleicht kämpft er sogar mit seinen eigenen Ängsten. Und da ist er wieder, der Freund, der auch Petrus versteht, der mitleidet, der liebt, der später im Garten Gethsemane ringt und sich doch bedingungslos für mich hingibt.

Petrus musste später Jesu Tod erleben. Voller Angst leugnete er sogar dreimal ihn gekannt zu haben. 3x durfte er sich von Jesus fragen lassen: Hast du mich lieb? Dreimal bekräftigt Petrus: Ja, ich hab dich lieb und dreimal beauftragt Jesus ihn. Weide meine Schafe. Trotz aller menschlichen Schwäche ein klarer Arbeitsauftrag zur Nachfolge. Vielleicht auch hier, indem er Petrus einen Platz hinter ihm zuweist: Folge mir nach!

Nachfolge bedeutet für uns Christen eben nicht automatisch, dass menschliches wie teuflisches nicht vorkommt. In unseren Herzen und Gefühlen ist allzu oft Gott fernes. Daran haben 2000 Jahre Christentum nichts geändert. Wie Petrus dürfen wir uns fragen lassen, wie es um unsere Liebe zu Christus bestellt ist. Und wie Petrus dürfen wir mit all unseren Ecken und Kanten, allen Irrtum, aber ganz ohne Maske aus Jesu Liebe leben, handeln und von ihr erzählen. Gott braucht uns genauso. Das nicht immer ein Spaziergang, nein, mitunter durchaus ein Kreuz. Auch ein Gewinn?!

Darum geht es Jesus im 2.Teil unseres Predigttextes, überschrieben mit Nachfolge und Lebensgewinn. Markus 8, 35-37 Und er rief das Volk samt seinen Jüngern herbei und sagte zu ihnen: Wenn einer mir auf meinem Weg folgen will, verleugne er sich und nehme sein Kreuz auf sich, und folge er mir. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten. Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und dabei Schaden zu nehmen an seinem Leben? Was hätte ein Mensch denn zu geben als Gegenwert für sein Leben?

Dies Kreuz auf sich nehmen impliziert die Annahme dessen, was im eigenen Leben unperfekt ist, was ich so gern hinter einer Maske verberge! Die letzten 2 Jahre haben wir leider oft gespürt und gelernt, wie Masken tragen im Alltag trotz Beeinträchtigung normal geworden ist. Kreuzesnachfolge Jesu Christi bedeutet, die Schutzmaske, die mir ein rettender Strohhalm ist, abzulegen. Ich muss mich meines wahren Gesichtes vor Gott nichtschämen, kann zu meinen Leben mit allen Brüchen stehen. Diese Brüche haben meist mit meiner Fehlbarkeit, meiner Schwäche, meinen Irrtümern, meinen Fehlern, meiner Angst, auch mit meinen unguten Erlebnissen zu tun. Zu gern versteck ich das alles unter einer Maske nach dem Motto: Das kann mir doch nichts anhaben. Seit Kriegsausbruch in der Ukraine und größenwahnsinnigen Taten Worten eines Diktators kann ich selbst diese Maske nicht mehr tragen. Da sind Wut, Fassungslosigkeit und Angst.

Gott nimmt und braucht mich, bedürftig und fehlbar, ängstlich und klagend - wie ich bin. Corona macht Maske tragen leider selbstverständlich zum lebensnotwendigen Übel.

Masken haben ja den Sinn, den Träger zu schützen. Wir können sie nicht überall ablegen, weil wir so verletzlich sind. Jesus offenbart seinen Leidensweg ja zunächst auch nur wenigen, denen er vertraut.

Es kommt darauf an zu wissen, wann wir unsere Masken ablegen können: vor uns selbst, vor vertrauten Menschen, vor Gott oder eben, wenn genug frische Luft da. Gesunde Luft, Lebensatem schenkt - so paradox es ist - gerade Christus Tod am Kreuz. Er stirbt dort für uns Menschen. Im Geheimnis seiner und hoffentlich meiner Auferstehung erfüllen sich Glaube, Liebe und Hoffnung. Nachfolge bedeutet Standhaftigkeit. Dazu zu stehen, dass Gott mich so bedingungslos liebt, seinen Sohn für mich in den Tod schickt, mir vergibt, mich auf dieser Erde braucht und mich auferweckt. Ich steh dazu, das glaube ich, weil Christus mich im Leben und im Tod erhält. Das ist mein Trost in dieser Welt. Ich steh dazu. Wir erleben schmerzhaft, dass zum Leben bei aller Anstrengung, mit allem Bemühen, trotz allem Wissen auch Leid, Enttäuschung, Kreuz, Mühe, z. Zt. sogar Krieg mitten in Europa gehört.

Nicht Petrus, nicht du, nicht ich, nicht der irgendein Mensch hat gelingendes Leben in der Hand. Größenwahnsinnig nimmt ein Kriegsverbrecher sich und leider unzähligen anderen aktuell selbst alle guten Möglichkeiten. Es ist Zeit. Drehen wir uns um, lassen uns von Jesus ansehen, uns anrühren, seinen Tod annehmen. Nur so kann ich aushalten, können wir in gemeinsam in die gleiche Richtung der Liebe blicken. Wie diese Liebe unseres Gottes alles aushält, so wachsen uns hoffentlich Kräfte, die zur Tat, zur Solidarität, zum Protest befähigen, die beten und hoffen, und Menschen aus dem Dunkel der teuflischen Macht ziehen.

Uns selbst zu leugnen heiβt, über den Tellerrand hinaus zu blicken, uns Gottes Wahrheit und Gottes Willen zu öffnen. Wenn Jesus uns sagt, dass wir uns selbst verleugnen sollen, so versucht er, unsere Perspektive ins Unendliche zu erweitern. Wir schauen über uns selbst hinaus, wir handeln über uns selbst hinaus. Wir erzählen und leben mit anderen die Fülle des Lebens, anstatt zu versuchen, hauptsächlich unser eigenes Leben zu genießen. Paradoxerweise hilft solches Handeln uns selbst, macht auch unser Leben reicher. Im friedlichen Teilen retten wir nicht nur unser Leben.

Allzu oft werden versucht, die Welt zu gewinnen, oder doch zumindest ein respektables Stück. Dafür nehmen wir vieles in Kauf. Uns wird gesagt, dass wir uns erst einmal um uns selbst kümmern sollen, bevor wir vielleicht etwas von den Krumen, die von unserem Tisch abfallen, mit anderen teilen. Uns wird weisgemacht, dass unsere Gier nach mehr letztlich gut für das Gemeinwohl ist – wenn wir immer mehr konsumieren, so helfen wir schließlich der Wirtschaft und unserem Land. Welch ein wunderbares Evangelium für unser Ego! Leidvolles Leben und bitterer Tod für viele.

 

Passionszeit ist eine Zeit, dessen zu gedenken, wie sehr Gott uns liebt, wie gern Gott eine Beziehung zu uns haben möchte. Buße, Umkehr, friedliches Miteinander und füreinander einstehen, teilen mit Flüchtlingen, führt uns zu einem Leben in Fülle, das unsere Vorstellungskraft weit übersteigt.

In der Passionszeit geht es um Verwandlung und den Ausblick auf ein neues Leben – anzuschauen erst am Ostermorgen. Ich weiß nicht, was Gott für uns auf Lager hat, für uns persönlich, für uns als Gemeinschaft - für die Gesellschaft. Nachfolgen will ich trotzdem.

Und der Friede Gottes, der höher als Macht und Hass und alles Verletzende ist, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn und Bruder. Amen.

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