25. Mai 2023

Brauchen wir eine neue, naïve Sicht auf die Evangelien?

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Bald ist Pfingsten und ich frage immer mal so herum, was meine Bekannten davon halten. Etliche wissen gar nicht, was da gefeiert wird.  Heute las ich dann einen Artikel in der New York Times, der mich nachdenklich machte. Es heißt da, dass evtl. eine etwas naivere Herangehensweise an die Texte der Evangelien sei heute vielleicht wieder angebrachter, denn anders als die älteren unter uns Christ*innen und Kirchenmäusen, die wir uns von den frommen und wenig liberalen Bildern des Glaubens erst lösen mussten um ein aufgeklärtes, intellektuelles Christ*in-sein vertreten zu können, würden viele heute überhaupt erst diese auf- und abgeklärte Sichtweise wahrnehmen.

Ich bin eigentlich gar nicht so fromm aufgewachsen. Meine Familie ging eher nicht zur Kirche, abgesehen von meiner katholischen Großmutter, die aber nie über ihren Glauben sprach und auch nie in der Bibel las. Auch ohne „notwendige Abschiede“ war mir schnell klar, dass so manches Wunder als Metapher zu lesen sein könnte. Und beim Lesen der vier Evangelien sah ich eindeutig Widersprüche; sie konnten also unmöglich alle vier wortwörtlich historische Fakten schildern. Eher schon, so sagt der Artikel in der NYT, sind sie wie Zeugenaussagen, weitergetragen über Jahre und Jahrzehnte auch mit dem „Stille-Post-Effekt“. Ich habe aber trotzdem immer geglaubt, auch an Jesus als Sohn Gottes, wobei mir nie wichtig war, wie genau diese Sohnschaft denn gemeint war: per Beischlaf mit Maria oder per Adoption oder einfach, weil wir ja alle Kinder Gottes sein könnten, oder wenigstens alle Juden und Jüdinnen? Das schien mir immer nebensächlich und manchmal war ich schon ein bisschen genervt, wenn mal wieder ein kluger Theologe erklären wollte, dass Jesus ein ganz normaler Mensch gewesen sei. Meine Lesart der Evangelien ist offenbar ziemlich naiv. 

Hier der Artikel von Ross Douthat: https://www.nytimes.com/2023/04/06/opinion/easter-christian-tradition.html

In meiner Kindheit waren es die Religionsskeptiker, die alles Christliche zusammen mit Weihnachtsmann und Osterhasen ins Reich der Märchen verbannen wollten. Heute sind es Theolog*innen, die das Transzendente, das Wundersame der Evangelien anzweifeln und nicht selten wegaufklären wollen. Selbst sind die meisten ja noch in diese Wunderwelt hineinerzogen worden, haben entsprechend damit gehadert. Mir war sie eine kostbare Flucht, wen ich abend dem "lieben Gott" mein herz ausgeschüttet habe. Ich bin durchaus dankbar über viele kluge Bibelarbeiten, die mir klar machten, was ich alles gar nicht glauben muss, und manchmal traurig über einiges, das ich eigentlich nicht mehr glauben darf, ohne naiv oder gar fundamentalistisch zu scheinen.

Aber am Wochenende ist Pfingsten, halt, nein, am Anfang der kommenden Woche ist Pfingsten. Mehr dazu morgen…

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