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Heute habe ich mit drei bemerkenswerten Theologinnen aus Lettland und Polen einen Online-Bibeldialog geplant. Mit dem Titel: „Exalted or Cast Down“ geht es um Frauen und ihre Rollen in Kirche und Gesellschaft. Gerade jetzt, wo es in vielen Ländern eher rückwärts geht und Feminismus wieder als etwas Lästiges oder gar Bedrohliches wahrgenommen wird, scheint es mir wichtig, zu fragen, welche Rolle wir als gläubige Christen dabei spielen oder spielen könnten. Mehr zu unserem (englischsprachigen) Online-Dialog nächste Woche, aber heute will ich erstmal wieder ein Predigt von Elke aus Lemgo posten – auch zu unserem Thema und das eben auch nach der Bundeswahl in Deutschland. Ich bin immer wieder dankbar für die Perspektiven, die Elke mir und uns mit Ihren Predigten schenkt.
Danke, Elke
„Hört doch von Anna, den zwei Rosas, Lydia, Martha und Maria und von Iwa! Und erzählt mir nichts von euren Identitätskrisen, ach hört auf mit dem Psychogeklimper auf der Gitarre, spielt doch was Anderes, singt doch vom Frieden, weint um die Kämpfenden.“
Müde, scharfe und doch aufrüttelnde Worte, und doch vielleicht ganz passend nach dem Wahlsonntag Sind wir nicht alle müde vom zermürbenden, nicht immer fairen Wahlkampf mit Versprechungen, die fast wahnwitzig kaum Erreichbares versprechen, von braunen Machtansprüchen, die Angst machen und das nicht nur in unserem Land? Wer singt sehnsuchtsvoll von Frieden und weint verzweifelt um kämpfende Opfer? Sicher, heute geht es in den Lesungen um weit mehr als Identitätskrisen und Psychogeklimper. Hier geht es um mutige Frauen, aufgeschrieben vom Evangelisten Lukas, eine davon zu finden in der Apostelgeschichte.
Frauen haben sich zu allen Zeiten bewusst entschieden, mutig, unangepasst und absolut brennend für ihre Anliegen. So Lydia, unsere Purpurhändlerin und erfolgreiche Geschäftsfrau. Sie traf Paulus im 1. Jahrhundert des Christentums in Phillipi, der römischen Provinz im heutigen Griechenland, also in Europa. Paulus und Silas reisten aufgrund einer nächtlichen Eingebung hierhin, um von der guten Botschaft zu erzählen. Sie gehen an den Fluss vor das Stadttor zu einer Gebetstätte und erzählen von der so neuen Christusbotschaft. Lydia hört aufmerksam zu, lässt sich berühren, ist ergriffen und macht gleich ganze Sache. Mit ihrem ganzen Haus, also mit der Familie, mit allen Angestellten und abhängigen Mitarbeitern lässt sie sich taufen. Bunt und fröhlich wird miteinander Gottes Liebe zu uns gefeiert.
Lydia und manch anderen Täuflingen öffnet Gott das Herz, dass sie die gute Botschaft hören. Was hier so einfach mit Worten beschrieben ist, ereignet sich immer großartig und wunderbar. Damals in den frühen Zeiten des Christentums war es keinesfalls selbstverständlich, vielleicht sogar gefährlich, sich zu Christus zuzuwenden. Schon gar nicht zu seinen Füssen zu hören und ihr ganzes Haus zu taufen. Schon höre ich heutzutage murrenden Protest: Zwangstaufe usw. Dabei brennt doch auch unser Herz und wir taufen unsere Kinder, um sie überzeugt unserem Gott anzuvertrauen. HÖREN ist dabei unbedingt förderlich und gute Voraussetzung. Ebenso Gottes AUFSCHLIESSEN der beteiligten Herzen. Dann geschieht manches Wunder, manchmal sofort spürbar, manchmal eher im Verborgenen, manchmal laut, manchmal leise, immer aber nachhaltig. Lydia ging mutig voran und forderte Paulus und Silas: Wenn ihr vertraut, dass ich an Christus glaube, dann kommt in mein Haus. Das war weit mehr als Gastfreundschaft. Gemeinsames feiern, singen, Freude teilen und beten sind dabei Lydias Anliegen. Nicht zuletzt auch ihr Bekenntnis und die die Anerkennung der anderen: Ich bin eine von euch. Ich und alle meines Hauses. So findet das Evangelium seinen Weg. Gott, - Lydia, Paulus und Silas, Maria und Martha sei Dank. Halleluja.
Letzten Sonntag hatten wir Wahlpflichtigen die Entscheidung – auch für Demokratie und Miteinander, letztendlich für ein gottgewolltes befreites Leben für alle seine geliebten Kinder. Hatte ich das beim + auf meinem Wahlzettel im Kopf? Wie mutig das zu leben ist, erzählt das anfangs zitierte, erweiterte Gedicht.
„Sing mal von Anna Walentinovic, Kranführerin in Danzig. Sing vom großen Streik und warum er ausbrach. Vergiss auch Rosa Parks nicht. Nie sollst du vergessen, dass sie für jede von uns, wie weiß wir auch sind, sitzen geblieben ist im Bus nach Alabama – auf dem Platz, der nicht für Schwarze reserviert war.
Vergiss auch die große Schwester Rosa Luxemburg nicht. Ach sing von Rosa und der Spontanität der Leute, an die sie glaubte.
Und erzähl von Lydia aus Philippi. Sing, wie sie sich taufen ließ und drängte in ihr Haus zu kommen um miteinander zu danken und Gott zu loben.
Erzähl von Martha, die fleißig für Jesus und die Seinen sorgte, und sing von Maria, die zu seinen Füssen lauschte.„
In unserer Gemeinde lebt die dunkelhäutige Iwa mit ihren zwei Töchtern. Vor 30 Jahren ist sie der Liebe wegen aus Togo zugewandert. Dort durfte sie in der Nachkolonialzeit nicht bei ihren französischen Taufnamen Iyvette gerufen werden. In Deutschland hat sie von Anfang an fleißig mitgearbeitet, ihre Kinder, eines behindert, erzogen und ist völlig integriert in unsere Gesellschaft. Als Kirchendienerin bereicherte sie das Leben in ihrer neuen Heimatgemeinde. Die fröhliche Christin begegnet uns stets aufgeschlossenen und hilft gern, da wo sie gebraucht wird. Am liebsten trägt sie einen knallorangen Pullover mit einem beherzten Oui, zu deutsch Ja. Muss die Alleinerziehende jetzt aufgrund ihrer Hautfarbe und der Behinderung ihrer Tochter Angst haben? Dazu die Sorgen um die weit entfernt lebende älter werdende Mutter, die sie nur alle paar Jahre besuchen kann. Dieser Tage erreichte mich ein buntes Foto ihrer Familie am Strand. Auf meine Nachfrage erzählte Iwa strahlend von ihren Lieben. Da flossen auch Sehnsuchts- wie Sorgentränen. Und ich spürte die große Hoffnung auf ein sommerliches Wiedersehn.
Lebt mit Iwa, die mit ihrer Lebensfreude Gott die Ehre gibt.
Ja, ich habe das weinerliche Zeug satt. Spiel doch von wirklichen Menschen, von Anna und den beiden Rosas, von Lydia und Iwa, von Martha und Maria, von dir und mir.
Wir Frauen - stark und verletzbar, sorgend für andere und unabhängig, dennoch kämpfend auch für dich und alle Schwestern.
Spiel doch von Brot und Rosen. Spiel doch wie damals von Fleischpreisen und einer freien Gewerkschaft, erzähl doch von Stahlhelmen und was dahintersteckt. Warn vor Atomraketen und dem, was dahintersteckt.
Ihr könnt die Sonne nicht verhaften, sie scheint. Ihr könnt die Rosen nicht zensieren, sie blühen. Ihr könnt uns Frauen nicht kleinkriegen, wir setzten uns ein, laden ein und lachen beherzt.
Spielt doch von unseren Schwestern, singt und kämpft doch mit uns.
In diesem Gedicht in Anlehnung an Dorothee Sölle, eine durchaus streitbare Theologin, geht es um die Lebenswirklichkeit dieser mutigen Frauen. Es geht eben nicht nur um Politik, denn daneben steht unverbunden das tägliche Allerlei, wie Martha es zeigt. LEBEN umfasst beides, Gotteslob und Dank noch dazu. Nicht nur Männer beeinflussen den Lauf der Geschichte. Auch Frauen, diese allerdings bis heute weniger beachtet, verändern mit ihrem Können und ihrer Vehemenz die Gesellschaft, indem sie Wege konsequent, mitunter laut zu Ende gehen So blieb Rosa Parks eben einfach im Bus sitzen, gab den Sitz für Weiße nicht frei, weil sie zu müde war. Und setzte damit das Signal zum Bürgerrechtskampf in den USA So ergriff Rosa Luxemburg das Wort gegen die Kriegskredite So verschafften Lydia, Martha und Maria sich Akzeptanz und Anerkennung. So stellte Dorothee Sölle unbequeme Fragen und riskierte ihre Professur. So lebt Iwa teilend und helfend mit uns und verkauft fröhlich manches Brot. Und so versorgten Hamburger Verkäuferinnen einem Bettler in Altona bis zu seinem Tod mit Brot. Und Rosen
Nein, ich will sie nicht wegreden, die Tränen der Opfer und die Ängste und Unruhen unserer Zeit auch in unserem Land. Dazu gehören leider erschreckende, nicht nur islamistische Straftaten, die uns zunehmend bedrohen und Leben kosten. Ich wünsche mir aber genaues Hinsehen und sorgfältiges im Auge behalten von Konflikten und menschlichen Nöten. Tatkräftiges Handeln und rechtzeitiges Erkennen von möglichen psychischen Beeinträchtigungen, ja schlichtweg auch psychologische Hilfe tun Not. Flucht und Eingliederung zuweilen, besonders, wenn immer weniger mutig Mitmenschen unter die Arme greifen und stärken mit Wort und Tat. „Wir schaffen das!“, erfordert durchaus meinen Verzicht, wie mein verantwortungsvolles Kreuz, nicht nur am Wahlsonntag
Es bleibt Gottes Versprechen, dass er zu uns spricht und unser Leben segnet . „Es wird regiert“. Das sagte der bedeutende Theologe Karl Barth am Vorabend seines Todes zu seinem Freund. Und er fuhr fort: „Ja, die Welt ist dunkel. Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern es wird regiert, und zwar hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her! Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich mich nicht. Gott lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns! – Es wird regiert!“ Verlassen wir uns darauf und teilen Brot und Rosen auch auf dem schweren Weg nach Jerusalem
Und der Friede Gottes, der größer ist, als alles was wir verstehen, bewahrt unsere Herzen und Sinne jederzeit. in unserem Heiland und Bruder Jesus Christus. Amen.
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