4. August 2020

Gedanken zu Psalm 139, 13ff

*** The English translation to this text will be posted here tomorrow.
Dr. Klaus-Dieter Ehmke arbeitet als Arzt in einem Berliner Dialyse-Zentrum und er leitet seit vielen Jahren ehrenamtlich Bibeldialoge, die früher Bibelwochen hießen. Er hat u.A. auch mich für meine Arbeit für diese Tagungsreihe und meine kleinen Ehrenämter daneben geprägt. Seine Kanzelrede enthält so viele Gedanken, dass ich sie auf mehrere Dienstage zerschnippelt habe. Heute der erste Teil.
Als Internist und Nierenarzt hatte ich schon lange die Idee, mal mehr über Psalm 139 nachzudenken. In der Lesart des Alten Testaments sind die Nieren der Ort innerster Gefühlsregungen. Wenn Gott die Nieren prüft, dann ist das ein Bild für der Prüfung der Motivation. Das ist nie statisch und einfach mal so da. Im Gegenteil, es ist ein Prozess von Nehmen und Geben.
Wenn ich die Schwestern bei uns im Dialyse-Zentrum bitte, Material zur Prüfung der Nieren ins Labor zu schicken, will ich nur einen kleinen Teil der Funktionsweise wissen, habe aber zuvor eine Anamnese erhoben, die ich oft genug entschuldigend kommentiere: "Sie bestehen ja nicht nur aus Niere!" Von manchen selbstbewussten Patientinnen und Patienten bekomme ich dann zur Antwort: "Wenn ich mich hier so umsehe in ihrem Zimmer, dann glaube ich, Ärzte sind auch nur Menschen!" Meistens haben Patientinnen und Patienten Recht, wenn man auf Augenhöhe ist, immer!
In der Regel sind wir in unserer Entwicklung erfreut erstaunt, wie wunderbar wir gemacht worden sind. Dann sind das Geben und Nehmen ein organischer Prozess, den wir erst dann dankbar wahrnehmen, wenn etwas fehlt vom Liebgewonnenen. Bei mir war das recht früh, denn meine Eltern haben mich beispielsweise an dem Abschiednehmen von der Urgroßmutter teilhaben lassen. Wenn man auf einem Bauernhof aufwächst, sind Werden und Vergehen im Jahreslauf ohnehin natürlich vorgegeben. Ich hatte es also gut, auch dabei.
Meine Motivation betreffend, mich für ein Studium der Humanmedizin zu bewerben, weiß ich noch genau, was ich in der "Darstellung meiner Entwicklung" mit 17 Jahren geschrieben habe und wie sich das weiterentwickelt hat mit meinem ersten Praktikum im damaligen Kreiskrankenhaus Anklam. Ich arbeitete als Hilfspfleger, denn zu 3 Jahren NVA hatte meine Zustimmung verweigert. Heute weiß ich, dass wesentliche Motivationsgrundlagen dort beim Arbeiten gelegt worden sind und mein Studium danach durch Erweiterung über den Tellerrand hinaus, etwas von dem widerspiegeln, wie Gott in mein Leben eingegriffen hat. Die klassische Berufungssituation habe ich dann in Berlin erlebt. Die Bedingungen dazu waren mehr als günstig. Ich war frisch verliebt (und hatte damit 120% Lebenskraft) und das St.-Hedwig-Krankenhaus im Rücken. Dort habe ich erlebt, wie man Leben und Sterben willkommen heißen lässt. Ich hatte wunderbare Lehrerinnen und Lehrer dort; vornweg Ordensschwestern, die auch mal dem Oberarzt die Gitarre in der Mittagspause wegnehmen, wenn der Arztbrief wichtiger erscheint. Und ärztliche Kolleginnen und Kollegen, die wussten, was und warum sie etwas tun. Dazu gehörten selbstverständlich Gemeinschaftsgottesdienste, Fortbildungen und ausgelassene Feiern, eine überaus gesunde Kombination.
Ob ich sitze oder stehe: Du weißt es. Meine Absicht erkennst du von fern.
Ob ich gehe oder ruhe: Du bemerkst es. Alle meine Wege sind dir bekannt.
Noch liegt mir kein Wort auf der Zunge, schon weißt du, Herr, was ich sagen will.
Von hinten und vorn hast du mich umschlossen. Und deine Hand hast du auf mich gelegt. Zu wunderbar ist dieses Wissen für mich. Es ist mir zu hoch: Ich kann es nicht fassen. (Psalm 139)
Teil 1 der Kanzelrede für die Ev. Gemeinde Tiergarten, Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, 18.07.2020; Textgrundlage Psalm 139, Basisbibel

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