19. August 2020

Mut und Zuversicht

 *** The English translation to this text will be posted here this afternoon. 

Heute lesen Sie den letzten Teil von Dr. Klaus Dieter Ehmkes Kanzelrede. Die Teile 1 und 2 wurden respektive am 5 und am 18. August hier eingestellt. Falls Sie die Posts nicht finden, schreiben Sie mir eine E-Mail und ich schicke Ihnen den ganzen Text per E-Mail.
Da ja diese Woche der Bibeldialog zum Thema MUT beginnt, passt auch der Anfang dieses Beitrags.

MUT. 

Würde ich in den Himmelsteigen: Du bist dort.
Würde ich mich in der Unterwelt verstecken: Du bist auch da.
Würde ich hochfliegen, wo das Morgenrot leuchtet,
mich niederlassen, wo die Sonne im Meer versinkt:
Selbst dort nimmst du mich an die Hand
und legst deinen starken Arm um mich.
(Psalm 139, 8-10) 

So eine mutmachende Beschreibung muss man erst mal suchen. Wie oft höre ich das in der Sprechstunde und in den Visiten, dass die Patientinnen und Patienten in Abgründe blicken und es doch immer wieder weiter geht. Sie berichten von den "starken Armen", aber auch von der Suche danach und den Hilfen in unserem reichen Land. Die Entscheidungen werden uns nicht abgenommen, aber Gott sagt uns "seinen starken Arm" zu. Das habe ich selbst erfahren, als ich nicht wissen konnte, ob die Diagnose Krebs nur auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss oder noch andere Formulare bedrucken muss. Ich würde in normalen Jahren jetzt auf Hiddensee sitzen und nach dem Gottesdienst am Pfarrhaus folgenden Satz lesen, den ich ihnen nicht vorenthalten will: "Gottes sind Wogen und Wind, Segel aber und Steuer, sind euer, daß ihr den Hafen gewinnt." Dazu möchte ich ihnen Mut wünschen. Und Zuversicht.

ZUVERSICHT 

Wie kostbar sind für mich deine Gedanken, Gott!
Wie zahlreich sind sie doch in ihrer Summe!
Wollte ich sie zählen: Es sind mehr als der Sand.
Käme ich zum Ende. Noch immer bin ich bei dir.
(Psalm 139, 17-18)

Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Bis zu unseren letzten Atemzug bleiben diese Fragen spannend. Jedenfalls wünsche ich mir das. Dennoch habe ich Menschen kennengelernt in meiner beruflichen Praxis und im privaten Umfeld, für die alles klar war; zumindest betonten sie es zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen. Ich bin immer beeindruckt und zugleich aber auch verunsichert, wenn Menschen behaupten, die Fragen nach dem Sinn des Lebens in der Tasche zu haben. Die eine Gruppe behauptet, nach dem Tod käme nichts mehr. Eine davon war meine Schwiegermutter. Am Sterbetag fragte sie mich, wie man den "lieben Gott anspricht, wenn man im Himmel ankommt". Ich war etwas verlegen bei der Antwort. Alle Diskussionen zuvor verblassten plötzlich und ich musste Farbe bekennen. Sie war getauft und konfirmiert in einer Zeit, als man das bei fast allen so machte, war aber aus der Kirche ausgetreten zu DDR-Zeiten, als sie einen Salonkommunisten geheiratet hatte. Sie liebte die Predigten unserer Gemeindepfarrerin und war ein Fan von Margot Käßmann. Aber an dieser letzten Antwort, was kommt danach, änderte das nichts. Bis zu diesem einen Tag, den ich nicht vergesse. Ein Tag nach meinem Geburtstag. Die Welt holte Atem, weil der Papst zurücktrat. Der Berliner Fernsehturm hatte Festbeleuchtung, wir wissen bis heute nicht warum. An diesem einen Tag war dieser Frau klar, sie würde ihrem Schöpfer gegenübertreten. Sie würde im Himmel ankommen. "Käme ich zum Ende. Noch immer bin ich bei Dir." Das ist Zuversicht und bis zum letzten Atemzug möglich. 

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz!
Verstehe mich und begreife, was ich denke!
Schau doch, ob ich auf einem falschen Weg bin!
Und führe mich auf dem Weg, der Zukunft hat!
(Psalm 139, 23-24)

Diesen Perspektivwechsel wünsche ich mir und ihnen mit viel Mut und Zuversicht, dass Heil und Heilung passieren kann. Solange wir atmen, kann es passieren. Dafür lehne ich mich auch noch bei Bertold Brecht an, wenn er schreibt, "Alles wandelt sich".

Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.
Aber was geschehen ist, ist geschehen. Und das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten.
Was geschehen ist, ist geschehen. Das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten, aber
Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.

Ich wünschen ihnen allen einen langen Atem auf diesem Weg, bleiben oder werden Sie gesund und vor allem behütet an dem starken Arm des Ewigen. 

Danke, Klaus-Dieter, für deine Worte!

3 Kommentare:

  1. Die Kanzelrede war ein Teil einer Predigtreihe "Gott spricht: Ich will sie heilen" (Jes.57,19) der Ev. Gemeinde Berlin-Tiergarten, die in die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche" einlädt zu einer Reihe Kulturkirche, die mit anspruchsvoller Kirchenmusik gestaltet wird. Dazu waren Vera Markert, Pastoralreferentin aus der Charité, und Karl-Heinz Hilberath, Psychologe von der Lebensberatung am Berliner Dom, eingeladen. Aus Hygienekonzeptgründen war eine Diskussion danach nicht möglich. Ein Gemeinde-Gesprächskreis hat mich bereits zu einer weiteren Diskussion nach der Sommerpause angesprochen, um dort weiter zu machen, wo Fragen offen geblieben sind. Menschen mit Fragen sind mir die liebsten. KD L.Ehmke

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  2. Kommentar vom 19.Juli. 2020 an die Gemeinde: "Herzlichen Dank für die Einladung in die Gemeinde. Ich konnte nicht ahnen, dass nur noch ein Platz frei war in der "Auf-Abstand-Kirche" und der Pfarrer Kaspar Plenert noch Faltblätter nachkopieren musste. War das ein gutes Zeichen? Einer stand noch vor der Tür und traute sich nicht rein! Aber dazu später. Dieser freie Platz war der Platz für Elia ? Ich weiß es natürlich nicht, aber Nachdenken ist ja erlaubt. Habe ich die Musik am letzten Sonnabend schon genossen, heute nochmal mehr! Der Kantor Dr. Ralf Lützelschwab hatte sehr schöne Lieder ausgesucht und traumhafte Mitstreiter! Birgitta Flick brillierte einzeln am Saxophon und zusammen mit Marcel Krömker am Bass. Ihre Komposition "Song without Words" war eine wunderbare Überleitung zum Credo; hat mir gefallen. Danke. Die Komposition von Marcel Krömker nach der Kanzelrede ging bei mir etwas unter, obwohl Birgitta Flick wie auch Marcel Krömker virtuose Passagen offerierten. DANKE. Herzlichen Dank auch an Herrn Eckehard Wesselmann für Lektorendienst und Kirchdienst. Ich habe mich über viele bekannte Gesichter gefreut und habe schon etliche Rückfragen bekommen, an denen "wir" weiter arbeiten. Pfarrer Plenert hatte mir freie Hand gegeben in der Suche nach einem Text. Da ich schon immer mal Psalm 139 wegen "der Nieren" bedenken wollte, wählte ich jenen aus und habe wiederum nicht schlecht gestaunt, dass genau dieser Psalm jetzt am Sonntag dran kommt!! Ein schöner Zufall, der mir natürlich Freude bereitete. Die Reaktionen am Ausgang waren durchwachsen, was mich gefreut hat und eine Diskussion wäre sicher abwechslungsreich geworden. Auch bei "Brecht-nein Danke" und "man merkt, sie kommen aus dem Osten" hätte ich sonst mehr nachgefragt. Mit einer Gruppe habe ich eine Verabredung, weiter am Thema "Heil und Heilung" im Herbst ein Treffen zu starten. Die eigentlich überraschende Geschichte kam danach. Ein Patient von mir hat durch Zu-Fall die Ankündigung gelesen im Schaukasten und war erschienen. Uns verbindet eine wirklich lange Geschichte. Seine Großmutter war eine meiner allerersten Patientinnen in Berlin seinerzeit im St.Hedwig Krankenhaus, seine Mutter war bei mir in der Sprechstunde und Geschichten habe ich erlebt, die könnten Bücher füllen. Dieser junge Mann lud mich danach zum Tee ein und erzählte mir eine unglaubliche Geschichte: Er kümmere sich um einen obdachlosen Menschen, den ich auch kennen würde, weil er bei mir schon mal in der Sprechstunde gewesen war. Er würde nachts hier an der Kirche auf den Stufen schlafen. Jetzt hätte er sich nicht in die Kirche getraut. N. bestand auf einen sozusagen "Haus"-Besuch. Minuten zuvor betete ich noch "Komm uns nah mit deiner Liebe und heile uns!" Und plötzlich stehe an einem Bündel aus Schlafsack und Decken und erstaunten Augen: "Ach du sie Doktor" ! Meine beste Vorbereitung hätte nichts getaugt, wenn mir nicht plötzlich klar geworden wäre, das war der freie Platz ! Der freie Platz war eigentlich nicht in der Kirche, sondern 10 m weiter im Gebüsch neben den Stufen. "Zu wunderbar ist dieses Wissen für mich. Es ist mir zu hoch: ich kann es nicht fassen. " Danke, Gott, für diesen Tag." (19.07.2020)

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  3. Lieber Klaus-Dieter, danke für dieses berührende Erlebnis. Heute geht es los mit unserem sehr sehr kleinen Bibeldialog mit nur noch 7 Teilnehmer*innen. Es gab dann doch Absagen. Fehlte der Mut oder doch die Zeit. Hier war es ein krankes Kind, dort ein Arzttermin... aber die vielen freien Plätze werden wir mit usneren gedanken an die fehlenden füllen und mit guten Wünschen und Gebeten. Mut ist unser Tagunsgthema!
    Lieben Gruß
    Tamara

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