21. Oktober 2020

DIE STIMME ERHEBEN - in einer bösen Welt?

 *** If you wish to read this text in English, please mail to hahn@eaberlin.de.
Von Friedemann Knippschild, einem Teilnehmer des Bibeldialogs für Prädikant*innen bekam ich diese Predigt geschickt, die recht gut zum Auftakt des diesjährigen Bibeldialog für Ehrenamtliche in der Wortverkündigung geeignet ist. Dieses Jahr ist alles anders. Nur 6 Teilnehmende werden vor Ort in Berlin sein, mehr als doppelt soviele gesellen sich per Zoom dazu. Auch Prädikant*innen sorgen sich um notwendige Vertretungen, falls sie nach der Veranstaltung in Quarantäne müssten. Es soll uns darum gehen, auch in der jetzigen Situation, wo die unterschiedlichen Meinungen nicht immer sachlich gegeneinander vorgetragen werden, wo auch Bibelworte - oft aus dem Zusammenhang gerissen - nur das ganz eigene Anliegen stützen sollen. Der Blogtext ist ein bisschen länger als sonst, aber ich habe a auch 3 tage nicht gepostet.

PREDIGT   18. Sonntag nach Trinitatis 11.10.2020
Kirche  Oberpleis,   10:00 h (F. Knippschild) Predigttext:  (Eph..5, 15 – 20)
Liebe Gemeinde!
Vor einigen Tagen las ich folgendes Zitat: „Es ist eine böse Welt. Das Feuer des Hasses und der Gewalt lodert hoch empor, das Unrecht ist mächtig, der Teufel bedeckt mit seinen schwarzen Fittichen eine düstere Erde. Und in Bälde erwartet die Menschheit das Ende aller Dinge.“
Diese Aussage über unsere Welt wurde nach dem schrecklichen 1. Weltkrieg von einem holländischen Historiker über das Ende; den „Herbst des Mittelalters“ geschrieben.
30 Jahre später, 1944, das Feuer des Hasses und der Gewalt loderte hoch empor, über Europa, das Unrecht ist schon wieder mächtig, der Teufel bedeckt mit seinen schwarzen Fittichen ein düsteres Europa. Die Menschen, die je unter der Brutalität dieses Allmachtswahns der NSDAP in Konzentrationslagern und Bombennächten gelitten haben, sagten, das ist das Ende der Welt.
Dann folgten, die Jahre des Optimismus -„das Wirtschaftswunder“ - genannt und dieses „goldene Kalb“ hieß:  technischer Fortschritt: Automation, Produktivität, Exportnation,  Digitalisierung, Globalisierung.
Dennoch, die pessimistische Weltsicht ist heute, angesichts der aktuellen Entwicklungen, über die wir ja in Funk und Fernsehen informiert sind, wieder aktuell: Es  ist eine – oder direkter gesagt, wir leben in einer bösen Welt! Das Feuer des Hasses und der Gewalt lodert, das Unrecht aus Intoleranz, der Wahnsinn mörderischer Macht sind wieder mächtig, und werden wieder religiös und ethnisch begründet. Aus der Kulturgeschichte wissen wir, die traumatische Angst vor dem drohenden Untergang der Welt ist nicht an einmalige Situationen bzw. Lagen gebunden, sondern während unserer Menschen- Geschichte  immer wieder aufgetaucht.
Wie zum Beweis steht als Überschrift des heutigen Predigttextes der Satz:
Kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit! (Eph. 5, 15 – 20)
Der Text steht am Ende des Briefes an die Gemeinde zu Ephesus. Stellt sich heute die Frage: Warum erlebten die Christen damals vor 2000 Jahren eine „Böse“ Zeit?
Unter der Herrschaft des absoluten Weltreiches der Römer litten die ersten Christen in den jungen Gemeinden immer wieder unter schweren und brutalen Verfolgungen.
Wie man betroffen sein konnte schildert Paulus aus eigener Erfahrung im
2. Korinther Brief: (Kor 11, 23 – 28)
Paulus bleibt nicht in der Klage stecken. Dieser Text jammert nicht nur über die schlimmen Zeiten früher und immer wieder, sondern er gibt wichtige Denkanstöße für unseren Weg, unsere eigenen Geschichte. Seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt.  Unsere Sorgfaltspflicht ist angesprochen!
Bert Brecht hat ein Gedicht geschrieben, der Titel ist eine Empfehlung:
„Morgens und abends zu lesen“
Es  lautet – „Der, den ich liebe / Hat mir gesagt / Dass er mich braucht. / Darum gebe ich auf mich acht/ sehe auf meinen Weg und / Fürchte von jedem Regentropfen / Dass er mich erschlagen könnte.“
Der erste Denkanstoß: Sich selbst wichtig nehmen.
So wie ich auf die Dinge achte, die mir wichtig sind:
das geerbte Tafelsilber,
die alten Schallplatten,
das neue Auto,
das Haus und der Garten,
die gepflegte Wohnung.
Manchmal sind es auch ganz alltägliche Dinge:
der Stein aus den Dolomiten, die Muschel vom Nordseestrand einzigartig, preiswert, aber für mich unbezahlbar.
Ich „gebe auf mich acht, sehe auf meinen Weg und fürchte von jedem Regentropfen, dass er mich erschlagen könnte.“

O d e r   e b e n:„So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise.“
„Ich gebe auf mich acht, weil ich gebraucht werde, von dem, den ich liebe.“-sagt Brecht.
„Ich sehe sorgfältig darauf, wie ich mein Leben führe.“ Lautet  der 1. Denkanstoß durch Paulus.
Hier drängt sich gleichzeitig die Frage auf: „Weil“? -  „Warum?“ Warum sollte ich mich wichtig nehmen? Warum sollte ich darauf achten, wie ich mein Leben führe?
Ja, wenn da einer wäre, der auch mir sagt, dass er mich braucht, dass würde schon helfen.
Was so für unser Leben gilt, das soll auch für unseren Glauben gelten, und das ist etwas, was wir immer wieder mal aus den Augen verlieren: dass da nicht nur ein Gott ist, der sagt: „Ich liebe dich“, sondern auch „Ich brauche dich“, und für den es sich lohnt, auf sich und seinen Glauben aufzupassen, wie auf sein ganzes Leben.
Der zweite Denkanstoß:
Gott erinnert sich an mich und an seine Liebe zu mir.
Nach meinen Erfahrungen, auch in den“ bösen Tagen“, : das einzige dauerhaft verlässliche und unverbrüchliche, was mir mein Leben wichtigmacht. Mein Gott nimmt mich so wichtig, dass er mir eine Aufgabe zu meine Gaben und Fähigkeiten gibt:„Kaufe die Zeit aus!“
Da ist ein wesentliches Merkmal eines weisen Menschen, dass er seine Zeit nicht vergeudet, sondern nutzt, „auskauft“ wie es heißt.
Und dies für unser ganzes Leben, in allen Lebensabschnitten für unsere Wünsche und Ziele, für ein erfülltes Leben. Es ist klug und weise, nach seinem eigenen Weg zu suchen und ihn dann mit Mut, Zuversicht und Vertrauen zu gehen.Damit der Weg nicht in die Irre führt, braucht man eine Richtung, ein Ziel. Gut ist es, wenn man dann unterwegs jemanden fragen kann.
„Weiß ich den Weg auch nicht .. du weißt ihn  wohl“.
Deshalb hat Weisheit für Menschen des biblischen Glaubens, etwas mit Gottesfurcht zu tun.
Schon im Psalm 111 heißt es: „ Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.“ Und so gilt für alle Kirchen das Bekenntnis, dass Jesus Christus uns von Gott zur Weisheit gemacht ist. (1.Kor.1,30)
Hier finden wir Anregungen, die uns helfen unseren eigenen Lebensweg weise zu gestalten. Vor allem die beiden Höchsten Gebote: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, und deinen Nächsten wie dich selbst (Mt 22,37-39). Dies zu beachten, gehört zur Lebensweisheit, eines Christenmenschen, die sich bewährt. Deshalb erinnert Paulus zu Recht: Werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Der dritte Denkanstoß: Die Sorgfaltspflicht eines Christenmenschen
Dazu ist Paulus, wie das NT  in allen Briefen,  klar und  sehr direkt:
Sauft Euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt. Damit sind wir im Alltag angekommen. Zugleich hören wir von drei wichtigen Eckpunkten der Sorgfaltspflicht.
1. Lasst euch vom Geist erfüllen.
2. Ermuntert einander mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern.
3. Sagt Dank Gott, dem Vater allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Wie wirkt sich Christsein im Alltag aus?
Deshalb fügt Paulus zunächst, ein zweites hinzu: „Lasst euch vielmehr von Gottes Heiligem Geist erfüllen.“ Nicht der Weingeist soll ein christliches Leben prägen, sondern der Heilige Geist!“ Was bedeutet es, sich vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen? „Singt miteinander Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder.“ antwortet Paulus.
Es geht um das, was seit bald Dreitausendjahren in den Psalmen vor Gott gebracht wird, unser ganzes Leben. Es gibt kein menschliches Thema, das in den 150 überlieferten Psalmen nicht vorkommt.
Ein Beispiel heute:„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ ( Ps 139, 14)
Den Tipp von Bert Brecht gebe ich – im Blick auf die Psalmen - gerne weiter: „Morgens und abends zu lesen“
Hören wir ein  Gebet von Augustinus:
Atme in mir, du Heiliger Geist, das ich heiliges denke!
Treibe mich, du Heiliger Geist, das ich Heiliges tue!
Locke mich, du Heiliger Geist, das ich Heiliges liebe!
Stärke mich, du Heiliger Geist, das ich das Heilige hüte!
Hüte mich, du Heiliger Geist, das ich das Heilige nicht verliere!
So sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen  lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.  Amen

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