13. Januar 2021

VERGEBEN NICHT VERGESSEN?

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Im Ausschreibungstext zu unserem Bibeldialog VERGEBEN(,) NICHT VERGESSEN heißt es: "Das (die Ermordung von Millionen Menschen durch Nazi-Deutschland) kann nicht vergeben, darf nicht vergessen werden." Dazu schreibt Gerd, einer der Leiter der Bibeldialoge:

„Den zweiten Teil dieses Satzes kann ich voll unterschreiben, denn Vergessen ist der Nährgrund dafür, dass sich Schlimmes wiederholt. Aber gegen den ersten Teil möchte ich mich doch ausdrücklich wenden! Vergeben heißt ja nicht legitimieren. Vergeben heißt auch nicht, etwas ungesühnt zu lassen. Vergeben heißt, das geschehene Unrecht nicht zur Basis der gegenwärtigen und zukünftigen Beziehung zu einem Gegenüber zu machen. 

Wer nicht zur Vergebung bereit ist und sie paktischerweise schlicht zur Unmöglichkeit erklärt, beraubt sich der unabdingbaren Voraussetzung für Versöhnung (Heilung eines gebrochenen Verhältnisses). Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur mal an die diesjährige Jahreslosung (siehe rechts neben diesem Text).

Und auch das konstruktive "mahnende Gedenken" gelingt allen Beteiligten eigentlich nur dann wirklich gut (d.h. ohne bleibende Rachegelüste und der Ausbildung langandauernder Ressentiments), wenn es um vergebenes Geschehen geht. Diese Vergebung kann in der Tat nicht eingefordert werden (schon gar nicht von den Tätern)! Sie ist ein Befreiungsprozess, der unmittelbaren und mittelbaren Opfer. Deshalb  sollte Vergebung sogar eines der Hauptziele von so etwas wie einer gelingenden Aufarbeitung sein.“

Ich habe darüber lange nachgedacht. Vermutlich war ich, während ich den Ausschreibungstext formuliert habe, zu sehr in Gedanken bei den Gräueltaten im so genannten „Dritten Reich“. Viele der Hauptverantwortlichen haben sich eben dieser Verantwortung entzogen, sei es durch Verschwinden oder durch Selbstmord. Noch mehr haben sich mit der Erklärung, nur ihren Job getan zu haben, herausgewunden und lebten und arbeiteten ohne Reue weiter in der Bundesrepublik. 

Gerds Einwand leuchtet mir ein, sobald ich an persönliches Leid denke, an die Chance, die sich den Leidtragenden eröffnet, wenn er oder sie vergeben kann – aber braucht es auf der anderen Seite nicht auch das aufrichtige Bereuen auf Seiten der Täter*innen? Gottes Vergebungskraft kann und will ich gar nicht begrenzen und nur Gott kann wissen, welche Bitte um Vergebung aufrichtig oder ein Lippenbekenntnis ist. Und braucht es für das Erfahren von Vergebung nicht auch die, die Vergebung suchen und die bereit sind, für das Leid, das sie anderen zugefügt haben, Verantwortung zu übernehmen? Dann erst kann doch auch Versöhnung geschehen.

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