12. Januar 2021

Remember - Deportation 2021

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Eigentlich war ich gerade dabei, nach einer Gedenkstätte zu suchen, die wir in usnerem Bibeldialog VERGEBEN(.) NICHT VERGESSEN betrachten wollen, als ich von einem Siebenbürgischen Pfarrer eine Mail bekam. Am 10. Jenuar, der nur wenigen im Bewusstsein ist; das gedenken an die Deportation der Deutschen aus Rumänien nach dem 2. Weltkrieg. Die Bibeldialoge finden seit Jahren fast jährlich einmal in Siebenbürgen statt und natürlich habe ich auch von diesen Deportationen, die so viele nicht überlebt haben, gewusst. Ein Anlass zu gedenken? Ein Grund, auch dieses nicht zu vergessen? nicht nur alle 75 oder 100 Jahre? Pastor Boltres hat mir erlaubt, seinen Text hier in den Blog zu stellen. Ein Bericht aus Siebenbürgen vor 76 Jahren.

Remember -  Deportation 2021

Genau vor 76 Jahren saßen unsere Großeltern in den kalten Wintertagen um den Ofen herum und steckten die Nasen aneinander. Etwas lag in der Luft und zwar nichts Gutes. In dieser Ungewissheit wurden sie plötzlich gestört. Rumänische Gendarmen und russische Soldaten stürmten die Häuser mit ihren Gewehren, so dass keine Gegenwehr möglich war. Mit vorgefertigten Listen, die bereits am 31.10.1944 von den Sovjets akzeptiert wurden, sammelten sie die arbeitsfähigen Männer und Frauen (13-55), ohne Rücksicht zu nehmen auf die Zurückgebliebenen und führten sie zu Sammellagern in  die Nähe von Bahnhöfen. In manchen Häusern blieben nur Kinder zurück, oder Greise, die hinfort als völlig Entrechtete einen schweren Existenzkampf führen sollten.

Wir wissen inzwischen den Grund dieser unmenschlichen Mobilmachung. Wiedergutmachung und Reparation des rumänischen Staates gegenüber Russland, war schwarz auf weiß geschrieben worden, wobei es nicht unbedingt Arbeitskräfte sein sollten. Deutschland hatte bis dahin einzig allein 26.000 Facharbeiter nach Russland schicken müssen, um die abgebauten Industrieanlagen wieder funktionstüchtig zu machen. Aber die besetzten Gebiete Ost + Westpreußen, Polen, Danzig, Schlesien, Ostbrandenburg und Pommern haben 800.000 deutsche Arbeitskräfte zur Zwangsarbeit nach Russland hergeben müssen. Was mit diesen Menschen geschehen ist, kann man in Dokumenten und Büchern nachlesen.

Unsere siebenbürgischen Gemeinden haben nur 30.376 Sachsen als Russlanddeportierte zu verzeichnen. Sie waren zumeist den Kohlewerken und Industrieanlagen des Donezbeckens, bei Makaewka + Stalino + Ural zugeordnet, und laut letzter Statistik kehrten 12 % (genau 3.076 Tote) nicht mehr heim. Unter äußerst schweren Bedingungen, wo Hunger, Kälte und seelische Not die Oberhand für längere Zeit behielten, mussten die Deportierten Schwerstarbeit leisten. Bereits 1944, kurz nach dem „Zusammenbruch“ hatten die Sovjets, die Lagerzeit auf 5 Jahre festgelegt, aber schon 1948 begann man einzelne Lager in Russland aufzulösen. Zum Schluss, im Oktober 1949 befanden sich nur noch 202 Sachsen in den Lagern und wurden als Spätheimkehrer von 1950-1952 entlassen. Es ist bekannt, dass 7 Personen nicht mehr heimkehren wollten und in der Ukraine ein neues Leben führten. Dieser Abschnitt der Deportation, und nicht der Zwangsumsiedlung der 50-iger Jahre, soll das schrecklichste Trauma der Siebenbürger Sachsen gewesen sein. Ein USA Journalist bezeichnet es als „Menschenhandel und Sklaverei, eine verschleierte Form der Zwangsverschleppung“. Unbeschreiblich sind die Konditionen unter welchen der Arbeitsdienst geleistet werden musste. Miserable Baracken waren ihre Unterkunft, unhygienische Bedingngen begleiteten den Tagesablauf von morgens bis abends, schlechte medizinische Betreuung wurde bei Arbeitsunfällen geboten und dürftige Ernährung. Hauptsächlich eine fade Krautsuppe, mit rationiertem Brot, zählte zur Tagesportion. Unbeschreiblich diese Bedingungen, denen auch mein kräftiger Großvater unterlegen war, er starb im bitterkalten Winter 1946. Sein Grab ist uns nicht bekannt. Damit will ich sagen, dass kaum eine Familie unserer Sachsen von dem Schicksal der Deportation nicht betroffen war. Zerrissene Familien blieben zurück, zerstörte Ehen, Witwen und Waisen und fürs Leben gezeichnete Leiden machten das Bild  des Kummers und der Trübsale aus.

Es ist unmöglich, alles zu erwähnen und die Erinnerungen der Erlebnisgeneration hier zu erzählen, denn es wurde unendlich vieles über die direkten und die indirekten Folgen der Deportation geschrieben. Es waren Jahre der Schmerzen und der Entbehrungen, die selbst die wenig Überlebenden nicht gerne erwähnen. Denn  sie sind mit Leiden und körperlichehn Schmerzen behaftet, was auf Russland zurück zu führen ist. Es schmerzt hier, es drückt dort und es klemmt drüben; - das kommt von Russland, sagen einige. Diese Leiden und Nöte prägen die Russlanddeportierten durch und durch. Denn sie haben ihre jungen Kräfte, ihre Jugend und ihr blühendes Alter hergeben müssen. Es sind persönliche Schicksale, die jedoch nicht aus dem Rahmen der geschichtlichen Tatsachen fallen.

In unseren Gemeinden zeigt die Statistik, dass auch diese Schicksale sehr bald in Vergessenheit geraten werden. Denn von denen, die Russland erlebt haben, leben kaum noch welche. In Honigberg wurden 222 Leute deportiert. Heute lebt nur noch Agnetha Müller im Altenheim von Kronstadt. In Rosenau waren es 322, von denen nur noch Erna Sodolean lebt. Wir wollen diese nicht ehren oder dekorieren, sondern wir wollen heute ehrfürchtig der Zeit gedenken, in welcher sie große Entbehrungen erdulden mussten, gleich den vielen unschuldig Verurteilten auf der ganzen Welt.

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