8. Dezember 2022

Liebe wagen - trotzdem! Gedanken zum Advent

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Elke aus Lemgo hat schon öfters Beiträge für unseren Bibeldialogsblog geschickt. In der folgenden Predigt geht es um einen Text aus dem 2. Kapitel des Hohen Liedes: (übersetzt von Rabbiner Andreas Nachma) – angeregt vom Thema des Adventsblogs der Evangelischen Akademie zu Berlin TROTZDEM! Schickt sie mir diese Predigt. Trotz allem Elend und Leid in der Welt sollen wir wagen, an Gottes Liebe zu allen Menschen zu glauben, darauf zu vertrauen… Genau zu diesem Wagnis zu lieben und an die Liebe zu Glauben, will uns Elkes Text ermutigen…

„Ich höre die Stimme meines Geliebten!
Da kommt er! Er hüpft über die Berge und springt über die Hügel.
Mein Geliebter gleicht dem Hirsche oder dem Jungen der Rehe.
Da steht er hinter unserer Wand, schauend durch die Fenster, lugend durch die Gitter.
Mein Geliebter hebt an und spricht zu mir: „Auf, meine Geliebte, meine Schöne, komm!
Denn der Winter ist vorüber, der Regen enteilt, er ist dahin.
Die Blüten sind sichtbar am Boden, die Zeiten des Sanges ist gekommen,
und die Turteltaube lässt sich hören auf dem Lande.
Die Feige würzt ihre Fruchtkeime, die Weinreben blühen und duften.
Auf, meine Geliebte, meine Schöne, komm!“

Liebesgeflüster, Frühlingsgefühle, das Werben des Liebhabers – im Advent. mitten in der Bußzeit? Trotzdem, ich höre sie, die vertraute Stimme. Jung, verliebt, klopfendes Herz, geheimnisvolle Spannung. Ein Fest soll es sein, wenn er kommt. Ich habe mich vorbereitet: das schönste Kleid angezogen, Haut und Haare mit duftendem Öl gepflegt.

Gewartet haben die Menschen. So lange schon. Auf den Retter, den Messias. Auf den, der sie befreit. Und dann sehen sie ihn auf einem Esel. Darauf einen König, der dem Tod entgegenreitet. Gottes Sohn auf dem Weg, diese, unsere Welt zu erlösen.

Menschen wie du und ich, die hoffnungsvoll warten, auch weil sie fürchten, was kommt. Gerade jetzt brauchen wir so sehr Trost und Befreiung von all dem unsäglichem Leid, das wir jeden Abend in den Nachrichten sehen und hören. Hören wir doch auch das Weinen der Kinder, die Sorge der Eltern, die Verzweiflung der Alten?! O Heiland reiß die Himmel auf, auch oder gerade 2022.

Deshalb falle ich ein: „Hosianna, gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!“ Lege ihm mein Unvermögen zu Füßen und mache ihn mit Palmzweigen aufmerksam. Dein Zion streut dir Palmen / und grüne Zweige hin.“ Jubel und Freude und Erwartung bei der Geliebten.

Andere Stimmen schleichen sich in den Jubelklang, Stimmen, die das „Hosianna, Ehre sei Gott“ mit „Kreuzigt ihn“ übertönen. Gnadenlose, größenwahnsinnige Stimmen. Kein Blick für das, was den Leidenden so schwer auf der Seele liegt.

Trotzdem spricht er dagegen an, der Friedenskönig, werbend, unüberhörbar. Wer Ohren hat, der höre:
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ „Fürchtet euch nicht, ich bin auferstanden von den Toten. Ich lebe und ihr sollt auch leben. Halleluja.“ Und mit den Engeln – auch 2022: „Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren!“

Ich, die Geliebte, versuche, mit meinem Blick die Dunkelheiten zu ergründen. Was verbirgt sich dort? Werden er und sein Licht hervorkommen – eines Tages? Wird die Sehnsucht gestillt? Und wie wird das sein? Wird er mich lieben, so wie ich bin? Ungeduldig, klagend, unruhig, fehlbar und doch hoffnungsfroh, sehnsüchtig singend und winkend mit Grün. „Ihr dürft euch nicht bemühen / noch sorgen Tag und Nacht,… Auch dürft ihr nicht erschrecken / vor eurer Sünden Schuld.“ Ein Fest soll es werden. Ich will mich vorbereiten, damit ich bereit bin, wenn es so weit ist. Genussvoll will ich warten, die Spannung genießen, die Hoffnung groß halten. Der Frühling entzückt mich jedes Jahr. Da sprießt nach dem langen Winter zartes Grün, Blume um Blume öffnet sich, wunderschön. Duftend werben sie um mein Vertrauen. Die Turteltaube gurrt verlockend lebhaft, Vogelstimmen jubilieren dem Sommer entgegen. Ich halte inne, lass mich von der Sonne wärmen und erwarte, was kommt – erwartungsvoll immer wieder, jedes Jahr. Ich genieße diese Zeit. Momente der Vorbereitung und des Vertrauens mitten im dunklen Winter meiner Klage. Das ist die Zeit, bevor er wirklich da ist, bevor er eintritt, nackt und klein, in einer Krippe liegend.

Ich freue mich darauf, seine Stimme zu hören. Das gute Wort, das mich tröstet und befreit. Ich warte voller Sehnsucht, dass er mich neu ins Leben führt. Und dann – dann ist er da! Er steht hinter unsrer Wand und sieht durchs Fenster und blickt liebevoll durchs Gitter. Ich höre ihn! Ich höre seine Stimme. Sehen kann ich ihn nicht. Ich ahne seine Gestalt, aber noch ist sie nur ein Schatten. Hinter der Wand steht er mit seiner ganzen Liebe, ebenso erwartungsvoll wie ich selbst. Verborgen hinter dem Fenstergitter meines Erlebten und meiner Fragen, ist er bereits da. Ich weiß es, auch wenn ich ihn nicht sehe. Aber ich höre ihn. Lausche gebannt, wie er sagt: „Steh auf, meine Freundin, komm, meine Schöne, komm her!“
„Ja, er ist da!“ jubelt mein Herz. Liebesgeflüster.
Sie kommen uns aus der Bibel entgegen: Frühlingsgefühle und Blütenträume, zum Nachempfinden schön.

Heut im Advent, auch in der Bußzeit, will ich mich gern auf diese Sicht der Dinge einzulassen. Ja, meine Beziehung zu Gott hat mit Liebe und Nähe, mit Geheimnis und Sehnsucht und Erfüllung zu tun. Ich rede selten darüber. Höre ihn wieder deutlich rufen: „Komm, ich bin für dich da!“ Das ist er, mein Heiland, mein geliebter Freund, Jesus Christus. Er liebt mich mehr als sein Leben. „Was hast du unterlassen und … Nichts, nichts hat dich getrieben…“

Danke, Elke!

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