Dr. Rainer Möller vom Leitungsteam der pädagogischen Studientagung, die am Dienstag dem 14.4. beginne sollte, hat ein paar Gedanken mit uns geteilt. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre Gedanken ebenso im Blog (oder per E-Mail an hahn@eaberlin.de) mitteilen.
***If you wish to participate ein English, please mail to hahn@eaberlin.de
Warum mir Respekt wichtig ist
Lehrerinnen und Lehrer erfahren es jeden Tag: Menschen sind
verschieden. Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich voneinander in
vielerlei Hinsicht. Sie haben unterschiedliche kulturelle Wurzeln, sprechen
verschiedene Muttersprachen, kommen aus ganz unterschiedlichen
Familienkonstellationen: aus Vater-Mutter-Kind-Familien, aus Großfamilien, aus
Ein-Eltern-Familien, aus Regenbogenfamilien. Ganz zu schweigen von ihren
unterschiedlichen Begabungen, Interessen und Neigungen. Die „homogene“
Lerngruppe (hat es sie je gegeben?) ist, das wird uns immer mehr bewusst, eine
Fiktion. In unserer globalisierten und immer differenzierter werdenden Welt
nimmt die Verschiedenheit zwischen Menschen beständig zu. „Heterogenität“ ist
das pädagogische Schlagwort unserer Gegenwart und der konstruktive Umgang mit
Heterogenität die große Herausforderung von Schule und aller pädagogischen
Fachkräfte.
Was braucht es um mit Heterogenität umgehen zu können? Es
braucht aus meiner Sicht vor allem eins: Respekt. Respekt ist mehr als Toleranz.
Wer „tolerant“ ist, „erträgt“ (lat. tolerare = ertragen, erdulden) lediglich
den Anderen in seiner Verschiedenheit. Er lässt ihn einfach so, wie er ist, oft
aus einer gleichgültigen Distanz heraus und ohne wirkliches Interesse an ihm.
Jemanden zu respektieren heißt: sich für ihn interessieren,
verstehen wollen, warum er so ist, wie er ist und warum er so denkt, wie er
denkt. Nachspüren, wie er geworden ist. Respekt entsteht nicht aus der Distanz,
sondern aus der Nähe zum Anderen: Was treibt dich an? Was ist dir wichtig? Aus
welchen Quellen und Traditionen lebst du? Was sind deine Hoffnungen und
Sehnsüchte? Respekt hat auch etwas mit Liebe zu tun.
Respekt vor dem Anderssein des Anderen, gerade wenn er mir
sehr fremd ist, erfordert Mut, Stärke und eine feste Persönlichkeit. Wie komme
ich zu diesem Mut und zu diesem Selbstvertrauen, das unabdingbar dafür ist,
dass ich Anderen mit Respekt begegne?
Zu einer starken Persönlichkeit
entwickele ich mich dann, wenn ich selbst respektiert werde. Hier schließt sich
der Kreis: Respekt entsteht aus Respekt. Nur wer selbst respektvoll behandelt
wurde und wird, kann Respekt vor Anderen entwickeln. Hier liegt eine große
Herausforderung für die Schule und für alle, die pädagogisch unterwegs sind:
allen im Raum der Schule – Kindern und Jugendlichen, Kolleg*innen,
Mitarbeiter*innen und Eltern - mit Respekt zu begegnen und miteinander eine
Kultur des Respektierens aufzubauen. Das ist nicht einfach, es muss immer
wieder geübt, gelernt und reflektiert werden, aber es ist die Grundlage für die
Erziehung zur Demokratie.
(Rainer Möller)
Was sind Ihre Erfahrungen? Wo erleben Sie Respekt? Wo fällt es Ihne vielleicht schwer Respekt zu zeigen? Wo vermissen Sie Respekt?
hier ein Kommentar von Anemone Poppen zum Thema Respekt. Sie können direkt auf diesen Post antworten.
AntwortenLöschenBeispiele zu drei Aspekten, die mir zu dem Thema einfielen:
a) Beim Unterbarmer Kinderteller, wo ich ehrenamtlich arbeite, einer Einrichtung in Wuppertal für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, die dort an drei Nachmittagen ein kostenloses Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung sowie Spiel- und Bastelangebote bekommen, kam an einem Nachmittag pro Woche ein freundlicher Musiker von der Musikschule, um mit den Kindern in Gruppen Musik zu machen.
Zu Weihnachten teilte er mit, dass er nicht mehr käme. Der Grund: die Kinder brächten ihm nicht den gewünschten Respekt entgegen. Äußerungen einiger Kinder hatten ihn verletzt. Das war traurig. Als die Kinder erfuhren, dass er ginge, und den Grund, waren sie betroffen.
Mir selber sind in dem halben Jahr, in dem ich nun dort bin, noch nicht Kinder respektlos begegnet -- wobei die Grenze zwischen übermütigem Verhalten und Respektlosigkeit fließend ist und in der Bewertung sicher die Empfindlichkeit des Erwachsenen eine Rolle spielt.
b) Ich habe bei der Arbeit viel mehr damit zu tun, dass die Kinder sich untereinander respektieren. Da sind auch Kinder, die nicht in der Lage sind, sich Respekt zu verschaffen, da muss dann ein Erwachsener im Streit schlichtenden Gespräch nachhelfen.
c) Als Kind war ich es gewöhnt, dass meine Eltern, vor allem meine Mutter, meinem (älteren) Bruder mehr Respekt zollten als mir und meinen Schwestern. Ich war darauf nicht neidisch. Es war einfach so und ist mir erst viel später bewusst geworden.
Anemone Poppen, Wuppertal
Liebe Frau Poppen, danke für Ihre Beispiele. nachdenklich hat mir besonders die geschichte mit dem Musiker gemacht. Wir wissen ja nicht, was ihn verletzt hat und ich frage mich manchmal, welches Maß wir anlegen, wenn wir etwas respektvoll genug oder eben nicht respektvoll genug empfinden. Ich grüße oft nur mit einem Hallo, werde aber oft genug begrüßt mit "guten Morgen Frau Dr Hahn". Ein Hallo würde mir da völlig reichen, aber wer weiß, wer meinen Gruß als respektlos wahrnimmt. meine Theorie ist, dass je weniger Wertschätzung jemand erfährt, desto wichtiger werden die äußeren Zeichen von Respekt.
AntwortenLöschenTamara Hahn