Un dhier zum lesen: Die Gnade unseres Herrn Jesus
Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit
uns allen. Amen
Liebe Gemeindemitglieder zu
Hause in der Nähe und in der Ferne,
„Quasimodogeniti“ =
„gleichsam wie Neugeborene“ – so stellte man sich in der frühen christlichen
Kirche die Täuflinge vor, wenn sie bei ihrer Taufe im Wasser untergetaucht
waren und nun wie Neugeborene aus dem Wasser wiederauftauchten. Ein
eindrückliches, zeichenhaftes Geschehen war dieses und zugleich eine sichtbare
Erklärung für die Auferstehung Jesu: gestorben und wieder auferstanden, neu
geboren!
Damals kamen alle in der
Osternacht getauften Christen in ihren weißen Taufgewändern nochmals am Sonntag
nach Ostern zum ersten Gottesdienst als neu getaufte Mit-Christen. Deshalb
nennt man bis heute in katholischen Gebieten diesen Sonntag den „Weißen
Sonntag“. Unsere christliche Taufe ist in dieser Weise eng mit der Botschaft
von der Auferstehung Jesu verbunden, die ein Schöpfungswerk Gottes ist. Und
dieses österliche Schöpfungsgeschehen übersteigt alle menschliche rationale
Vernunft und emotionale Vorstellungskraft, ist aber dennoch ein ermunterndes
Zeugnis zum Aufbruch aus Trübsinn und Resignation – gerade auch in dieser
eigenartigen „Corona-Zeit“, in der wir nur „gemeinsam getrennt“ Gottesdienste
feiern können.
Hören wir auf diesem
Hintergrund als Christen die eindringliche Botschaft des Zweiten Jesaja, der vor
zweieinhalb tausend Jahren dem resignierten und verzweifelten Volk Israel in
der babylonischen Gefangenschaft die Schöpfungskraft des einen Gottes vor Augen
hält: Jesaja 40, 26-31
Hebt eure Augen in die
Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus
und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass
nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn,
Jakob, und du, Israel, sagst: "Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein
Recht geht an meinem Gott vorüber"? Weißt du nicht? Hast du
nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat,
wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft
und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde
und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den HERRN
harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie
laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Liebe Gemeindemitglieder, aus
der eigenen Lebensgeschichte können manche von uns diese Situation
nachempfinden, in der sich das Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft
befindet: sie haben jahrelang zu ihrem einen Gott gebetet; sie haben von ihm
erzählt und sich an ihn gehalten; sie sind nicht von ihm abgefallen und haben
sich nicht den vielen anderen Göttern zugewandt; sie haben der Botschaft von
dem einen, barmherzigen und gnädigen Gott vertraut. Jedoch haben sie nichts von
ihm gespürt; er hat sie nicht befreit; er hat sie nicht in ihre Heimat
zurückgebracht. Sie haben wie vor eine Wand gebetet und vergeblich geglaubt. Deshalb
fällt es ihnen in ihrer Enttäuschung leicht, auch die Götzen der Babylonier anzubeten;
denn ihr Gott hat sie vergessen.
Ist dies nicht vergleichbar
mit uns, wenn wir Krankheiten erfahren, beten und keine Besserung erfahren? Was
ist, wenn das Coronavirus das persönliche Leben und das der ganzen Gesellschaft
völlig umkrempelt? Was ist, wenn wir unter unseren eigenen Fehlentscheidungen
leiden, über unseren bruchstückhaften Vorstellungen verzweifeln, krumme Wege
der Anbetung einschlagen und den Sinn des Lebens und das Vertrauen in Menschen
verlieren? Wo bleibt Gott? Schließlich sind wir hilflos, müde und matt und
ziehen uns vom Glauben an den auferstandenen Christus zurück. Offensichtlich
kümmert Gott sich nicht um uns hier; er hat immer andere im Blick und ist an
deren Seite. Wir sind außen vor! Ich bin außen vor! Seht doch auf die
Kirchengemeinde: sie wird klein und kleiner; es wird immer schwerer,
verantwortliche Menschen in den Kirchenvorstand zu bekommen; die Zahl der nicht
getauften Menschen wird größer. Was bleibt, ist Resignation und Pessimismus!
Ich habe in einer Meditation
zu diesem Predigttext den folgenden einprägsamen Spruch gelesen:
„Geht der Glaube zur Tür hinaus,
kommt der Aberglaube durch´s Fenster.
Verlässt Gott das Haus,
kommen die Gespenster.“ (in Gottesdienst Praxis 1996, Band 2,
S. 138 )
Keineswegs!
Keinesfalls! So hämmert der Prophet Jesaja seinen israelischen Gläubigen seine
aufmunternde Botschaft ein: „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr,
der die Enden geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist
unausforschlich!“ Ich übertrage direkt: Weißt du nicht, liebes
Gemeindemitglied? Hast du nicht gehört, was damals nach der Kreuzigung Jesu an
Ostern geschehen ist? Dieses neue Schöpfungs-geschehen reißt uns bis heute
heraus aus dem Jammern und Klagen über die Abwesenheit des Schöpfergottes, über
seinen Tod und / oder über seine Nicht-Existenz. Abgesehen davon, dass wir in
Europa meist auf hohem Niveau jammern, werden wir aufgefordert: Wach auf und
steh auf von der Nabelschau, dem egoistischen Blick nur auf die eigene
Existenz! Erweitere dein Blickfeld! Da gibt es ein Schöpfungsgeschehen, das
nicht von Menschen erfunden und bewirkt wurde. Da ereignet sich in unserer Welt
der Tod des Todes! Uns ist der weite Blick auf das Leben in der Nähe Gottes
eröffnet!
Und das hat seine Auswirkung
auf unsere Verhaltensweisen: Wir unvermögenden, müden, schnell zur Resignation
neigenden Menschen bekommen neue Kraft und Stärke. Dabei können wir uns an die
Jünger vor 2000 Jahren als Vorbilder erinnern: Sie waren wirklich verzweifelt,
als ihr Meister und ihr Idol gefangen genommen und gekreuzigt wurde. Sie waren
völlig enttäuscht; denn ihre Lebenshoffnung war dahin! Aus Angst vor der
eigenen Gefangennahme und Kreuzigung waren sie geflohen. Und dann wurden sie
Zeugen der Schöpfungsmacht Gottes; sie erlebten die Begegnung mit dem
auferstandenen Jesus. Sie bekamen plötzlich neue Kraft, „dass sie auffahren mit
Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und
nicht müde werden.“ (Vers 31) Der Prophet überschlägt sich fast selbst mit
diesem Bild und der Anhäufung von Dynamik. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
die Jünger Jesu damals von sich aus, aus eigenem Impuls heraus, aufgrund
eigener Erfindung und Überlegung loszogen und die Botschaft von der
Auferstehung Jesu auf den Straßen und Plätzen weitererzählten. Und dass sie zugleich
diese frohe Botschaft mit der Hoffnung auf die eigene Auferstehung und das
Leben in der Nähe Gottes selbst erfinden und verbinden konnten. Die
Osterbotschaft ist ein Schöpfungsgeschehen Gottes, das unsere Vernunft und
unseren Verstand übersteigt!
Von dem Schweizer
theologischen Schriftsteller Kurt Marti stammen die Zeilen:
„Ihr fragt, wie ist die Auferstehung der Toten? – Ich
weiß es nicht.
Ihr fragt, wann ist die Auferstehung der Toten? – Ich
weiß es nicht.
Ihr fragt, gibt´s keine Auferstehung der Toten? – ich
weiß es nicht.
Ich weiß nur, wonach ihr n i c h t
fragt: Die Auferstehung derer, die leben.
Ich weiß nur, wozu er uns ruft: Zur Auferstehung heute
und jetzt.“
Liebe
Gemeindemitglieder, die Botschaft von der Auferstehung als ermutigender Schritt
nach vorne ist ein aktuelles Geschehen, keine Zukunfts-Verströstung! Jetzt
bekommen wir Lebenden Kraft und Stärke – gleichsam im Widerstreit mit der
Realität unseres gesellschaftlichen Umfeldes. Wir – das sind die, die „auf den
Herrn harren“. „Harren“ ist ein dynamischer Vorgang, kein Stille-halten und kein
Abwarten, was so kommen mag. Nein! Harren ist ein nach vorne drängendes Hoffen,
weil der Schöpfergott viel mehr vermag als ich, sein Geschöpf. Er kann den Tod
besiegen; er kann die Angst wegnehmen; er kann die müden Knochen in Bewegung
bringen. Und er kann dies nicht nur; er hat es getan! Dafür ist Jesus Christus
das Unterpfand. „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?“ Ich
zitiere aus dem „Liturgischer Kalender“ zum Ostersonntag (Rüdiger Jung):„Ostern, Aufstand des Lebens gegen den Tod.
Noch ist unser Leben vom Tod gezeichnet.
Ostern, Aufstand der Freude gegen das Leid.
Noch ist unser Leben vom Leid gezeichnet.
Nur ahnend erfassen wir das Neue.
Doch wir trauen dir, Gott, zu, dass du alles verwandelst
und dein Osterlicht heute durch uns leuchten lässt.“
Durch uns leuchtet das Licht Gottes, liebe
Gemeindeglieder. Nicht immer nur durch die anderen. W i r hier hören diese Ermunterung heute. Wir sollen
trotz Coronavirus fröhlich und getrost sein. Wir können uns selbst fragen: Kann
ich aufbrechen und mich mit missliebigen Familienmitgliedern und Nachbarn und
Arbeitskolleginnen versöhnen, ihnen gegenüber wenigstens friedfertig,
barmherzig und gerecht sein? Ich wünsche Ihnen und mir für diese neue Woche:
Aufstehen! Aufbrechen aus dem alten Denkmuster: Ich kann doch nichts ändern!
Hin zu neuen Verhaltensweisen, die uns aus der Resignation z.B. auch über die negative
Entwicklung der christlichen Gemeinden und Kirchen in unserer Zeit herausreißt.
Unserem schwachen Glauben werden Flügel geschenkt, wie Adler sie haben.
Auferstehung heißt aufstehen und aufbrechen wie die Menschen, die gerade
getauft sind und nun aus dem Taufwasser wie Neugeborene auftauchen. So sind
wir!
Amen
Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen
Lied: EG Nr. 116
Er ist erstanden, Halleluja!
Altbischof Klaus Wollenweber, Bonn
Viele Jahre
Gemeindepfarrer in der Ev. Keuzkirchengemeinde Bonn; ab 1988 theologischer
Oberkirchenrat in der EKU Berlin (heute: UEK in Hannover); ab 1995 Bischof
der Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz mit dem Amtssitz in Görlitz /
Neiße (heute: Ev. Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ); seit 2005 im Ruhestand in Bonn.
Häufig aktiv in der Vertretung von Pfarrerinnen und Pfarrern in Bonn.
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