Ein Friedensvers von Hilde Domin, einer deutschen
Dichterin jüdischen Glaubens:
„Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten".
„Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten".
--- 75 Jahre Frieden – Grund genug zu feiern, laut und
glücklich. Sollte man den Frieden nicht
genauso laut feiern, wie der Krieg zu beklagen ist!? Aber ist denn überhaupt
Frieden? In der Europäischen Union, in Europa, an den Grenzen Europas, auf der
Welt?
Ich gestalte mit etwa 50 ehrenamtlichen klugen Menschen aus
ganz Europa an der Evangelischen Akademie zu Berlin jährlich 14-15 Bibeldialoge,
die meisten in Berlin, manche auch in Polen, in Rumänien, in Tschechien,
Frankreich… und immer mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den
verschiedensten Ländern Europas. Ganz
Europa, also auch mit Menschen aus der Ukraine oder aus Bosnien. Manchmal, das
erfahren wir dann in der Vorstellungsrunde:
auch aus Syrien oder dem Irak.
Meist vereint uns schon zu Beginn der Begegnung der große
Wunsch nach einem friedlichen Beisammensein:
Das hilft, wenn nationale Unterschiede in Kultur oder Tradition zwischen
uns stehen. Wenn wir gewohnt sind, die Bibel doch ganz anders zu verstehen. Es sind
aber oft eben diese Texte der Bibel, die uns daran erinnern, dass wir Geschwister
sind, die in Frieden miteinander leben sollen.
Und es ist diese persönliche Begegnung, die uns genauer
hinschauen lässt, so dass die Feindbilder ganz blass werden. Der Mensch vor mir
leuchtet so viel heller und eindrücklicher als jedes erlernte Vorurteil. Es ist
das Gespräch von Angesicht zu Angesicht, das nachfragen lässt, wenn Verständnis
noch schwer fällt. Die Fragen der Anderen verändern auch unseren Blick auf uns
selbst, lassen vermeintliche Gewissheiten aufbrechen und geben Raum für Neues,
das uns befreit und reicher macht. Das
klingt vielleicht nach etwas Großem, aber es sind ganz kleine Begegnungen: 20,
manchmal 30 Teilnehmende, und es sind auch nur 4 gemeinsame Tage. Aber sie
verändern etwas. In uns.
Europa ist für die Bibeldialoge größer als die EU, und es
ist bei weitem nicht überall Frieden auf dem Kontinent, und erst recht nicht
seit 75 Jahren. Und hier in unserem Land? Ist es Frieden, wenn Synagogen
angegriffen wird? Wenn Musliminnen das Tuch von Kopf gerissen wird? Wenn Menschen
fordern, notfalls die Alten und Kranken einem Tod durch Ersticken zu
überlassen, damit die Wirtschaft nicht zu sehr leidet?
Bei den Bibeldialogen wird nicht versucht, Angst
und Zorn wegzureden. So mächtig sind unsere Worte ja nicht. Wir vertrauen der
Begegnung von Mensch zu Mensch. Und Gottes Wort. Dieses Jahr fehlt uns die Begegnung. Unsere Brüder und
Schwestern in den anderen Ländern dürfen nicht reisen, wir ja auch nicht. Was
macht das mit uns? Wie bleiben wir auf Augenhöhe, wenn wir uns nicht
mehr persönlich in die Augen sehen können?
Viele große Veranstaltungen sollten heute stattfinden, mit
viel mehr als 50 Zuschauern aus aller Welt. Es hätte ein lautes und glückliches Fest
werden können. 75 Jahre ohne Krieg in den Ländern der EU. Das soll nicht
kleingeredet werden. Wenn wir die Geschichte Europas ansehen... Das muss ich
gar nicht erläutern. Unsere dankbaren Lieder … hätten vieles übertönt, auch das
Klagen der Menschen in Syrien, an den Grenzen zu Europa, auf dem Mittelmeer, in
den Lagern in Nordafrika.
Ein Virus lässt uns heute leise sein, aber nicht weniger
dankbar.
Europäische Bibeldialoge, wie wir sie kennen, finden zurzeit
nicht statt. Im Blog vielleicht, auf Facebook, per E-Mail… zweidimensional. Aber
vielleicht ist es ja genau das, genau die Prüfung, die uns näher bringen kann,
die uns zeigen kann, dass uns mehr verbindet, als eine Landesgrenze zertrennen
kann. Gottes Wort.
Und der Heilige Geist weht ja bekanntlich, wo er will, also
möglicherweise auch im Internet.
Wir werden also nicht müde und halten dem Wunder des Friedens
vertrauensvoll die Hand hin.
Liebe Tamara, herzlichen DANK für Deinen Beitrag. Es war sehr gut, Dich dabei zu haben, KD
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