28. Juni 2023

Von der Wut und der Traurigkeit

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Vorgestern schon ging unsere Studientagung zum Thema Antisemitismus – vom ziemlich frühen Christentum bis heute – zu Ende. Was leider nicht zu Ende geht ist der Antisemitismus in unserem Land - und natürlich auch anderen Ländern. Aber man fegt ja besser immer zuerst vor der eigenen Haustür. Und der Blick auf unsere eigene Gesellschaft mach manchmal wütend und oft traurig.

Wir waren eine kleine aber sehr interessierte und engagierte Gruppe aus drei Ländern. Die Motivationen waren ganz unterschiedlich:  angefangen mit allgemeinem Interesse, mehr zu erfahren über das Judentum an sich bis hin zur Hoffnung auf Argumentationshilfen in Begegnungen mit antisemitischen Äußerungen. 

Den ersten Christen mag es darum gegangen sein, sich als neue Religionsgemeinschaft abzugrenzen, auch wen das vermutlich gar nicht das Anliegen Jesu gewesen sein dürfte, so wandelte sich das Bild je mehr Einfluss das Christentum gewann. Vielleicht verträgt sich Macht nie mit Religion? Angesichts der immer eher kleinen Zahl an Jüdinnen und Juden weltweit bleibt es ein Rätsel, warum ausgerechnet sie immer wieder Ziel von Hass und Verfolgung werden konnten. (Meine persönliche Theorie: Feigheit. eine wirklich bedrohliche Mehrheit anzugreifen, würde ziemlich viel Mut verlangen.)

Die Einheiten zu Antijudaismus in den (nicht mehr so ganz) neuen rechten Bewegungen und in (schon sehr alten) Verschwörungserzählungen ließen uns auch darüber nachdenken, ob wir überhaupt eine Chance haben, gegen solche auf Falschinformationen aufbauenden Weltsichten argumentativ vorzugehen. Dabei zeigte sich im Rollenspiel, dass wir da leider schon ganz arg versagen, etwa weil uns der selbstbewusste Schreihals einfach nicht zu Wort kommen lässt, oder weil wir uns erstmal versuchen wollen, ob denn die Fakten auch stimmen. 

Wo lohnt die Diskussion, wo bringt man sich eventuell nur in Gefahr? Vielleicht ist es nicht immer sinnvoll, sich allein gegen eine Gruppe Rechtsextremer in Springerstiefen zu stellen. Unsere Mindestreaktion sollte das Zeigen des „Nicht-Einverstanden-Seins“ sein und wo irgend möglich: die Anzeige.

Ja, Argumente haben wir jetzt: zumindest im Gespräch mit denen, die nur so nebenbei „was gegen Juden“ haben oder die „gar nichts gegen Juden haben aber gegen den Staat Israel". Unser gutegemeinter Wunsch, mit Fakten zu argumentieren, derer es genug gibt, macht uns oft langsam und träge, bis wir die guten Argumente im Internet beisammen haben, ist die Diskussion schon weiter. Besser erstmal Haltung zeigen und Fragen stellen.

Eine Überraschung war es für uns auch nicht: Judenfeindlichkeit ist vor allem Menschenfeindlichkeit.

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