15. Oktober 2024

Elkes Predigt zum 2. Kor. 3 - Teil 2

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Gestern habe ich hier den ersten Teil von Elkes Predigt zu 2. Korinther 3, 3-6 gepostet, heute geht es weiter:

Was bin ich, was ist der Mensch, wenn wir laut unserem Pauluswort gelesen werden. Da fallen mir gleich meine Unfähigkeiten, mein häufiges Scheitern, meine Zweifel, meine Unfreundlichkeiten, mein Egoismus, und und und ein. Paulus hat da ein mächtig anderes Selbstverständnis. Unermüdlich erklärt er Christus und das Evangelium. Den Seinen und den Anderen predigt er mit brennendem Herzen Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit. Im hellenistisch römischen Umfeld - zwischen gläubigen Juden, der römischen Regierung und dem unterdrückten Volk eine gefährliche Herausforderung. Juden, bereits damals täglich verfolgt und sozusagen im Blutrausch geschlagen, gesteinigt, erstochen und verbrannt. Angst, Unruhe, wie Pogrome schlimmster Art prägten das Leben. Die jungen Gemeinden, auch die in Korinth mit ihrer Ausrichtung auf Christus bieten natürlich weitere Angriffsfläche und suchten zugleich Orientierung im neuen Glauben, was nicht konfliktfrei gelang. Und Paulus selbst litt Hunger und Durst, hielt massive Schläge und Gefängnishaft aus. All das und selbst Obdachlosigkeit bremsten ihn nicht. Das Feuer der Verkündigung und die Liebe zu Jesus Christus loderten in ihm. Egal, ob politisch verfolgt oder von seinen eigenen Leuten in Frage gestellt, er will die Dinge freundlich richtigstellen, obwohl er sich als Kehrdreck der Welt fühlt. So seine eigenen Worte. So schreibt er den Korinthern nun: Wir können uns nicht etwas zuschreiben, als hätten wir es aus eigener Kraft erreicht. Sondern es ist Gott, der uns zu allem befähigt. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. Diese Zuversicht haben wir durch Christus. Sie gilt auch gegenüber Gott. Von uns aus sind wir zu nichts fähig.

Paulus verweist nachdrücklich, wie er das so gut kann, darauf, dass nicht wir Menschenkinder die großen Macher sind. Nein, der dreieinige Gott hat bereits alle guten Lebensmöglichkeiten in uns gelegt. Besonders der Heilige Geist macht diese Gaben immer wieder lebendig und schenkt uns die Kraft christusgemäß als Diener des neuen Bundes zu leben. Natürlich machen wir Fehler und darum zu wissen und um Vergebung zu bitten ist gut. Aber wir sollen uns nicht in unserer Schuld verlieren. Gott hat in Christus allezeit vergeben und schenkt jeden Tag neu die Kraft, den Mut, die Liebe, und manches mehr um ein guter Empfehlungsbrief Christi zu sein. Selten, aber doch hin und wieder werde ich gefragt, warum ich trotz aller Einschränkung und manch schlechter Erfahrung ein so lebensfroher Zeitgenosse bin. Einschränkungen, Kummer, Leid, ja selbst Tod und fast aussichtslose Kriegsherde der Welt dürfen uns traurig machen. Aber auch darin sollen wir uns nicht verlieren, sondern uns mit Paulus vielfältig für Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen.

Vor 35 Jahren gingen im Osten, Leipzig soll nur als Beispiel genannt sein, bestimmt mehr als hunderttausend Menschen unter Lebensgefahr in Kirchen, später mit Kerzen friedlich und auf Straßen und beteuerten:  Wir sind das Volk. Sie waren mutiger Auslöser der Wiedervereinigung und feiern den Tag der friedlichen Revolution jedes Jahr fröhlich am 9. Okt. Karla Raveh, Jüdin und Lemgos Ehrenbürgerin, saß oft unter „ihrer“ Linde auf unserem Wall und erzählte allen, die es hören wollten, aber ohne Groll von den Gräueltaten der Nazis an ihrer Familie. Mögen Initiativen wie Talitha Kumi sich weiter für gemeinsame Bildung von israelischen und palästinensischen Jugendlichen einsetzen, um so zur Versöhnung zu motivieren. 

 

Lesen wir genau in den Herzen von Menschen. Dort atmet Gottes Größe und Herrlichkeit.  Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist…  Briefe studieren sind oft bereichernde Momente in meinen Leben.   Brief Christi zu sein, der in mein Herz geschrieben ist, sodass alle ihn lesen können, lieber Bruder Paulus, das hat mich ehrlich zunächst erschreckt. Mit, aus und in der Liebe des Heiligen Geistes aber wohl lebensbereichernde Realität. Das macht Mut.   Vor 50 Jahren ärgerte ich mich über meinen Konfirmationsspruch. Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und setzte meine Zuversicht auf ihn und verkündige all dein Tun. Offensichtlich konnte unser Pfarrer mich gut lesen. Heute stärkt mir dies Wort eingearbeitet in meinen Talar jeden Gottesdienst den Rücken. Begegnen wir einander und der Welt mutig, immer wieder mit liebevoller Anrede, mit lebenswichtigem Zuspruch und enden mit zukunftsweisenden Grüßen.  Und der Friede Gottes, der höher ist als alles, was wir verstehen, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn und Bruder Amen. Grüßen. Amen.

Danke, Elke, für deine Predigt und alle Gedanken, die du damit in uns angestoßen hast.

14. Oktober 2024

Predigt zu 2. Korinther 3 (von Elke aus Lemgo) Teil 1

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Elke, Prädikantin aus Lemgo, hat mir wieder eine Predigt geschickt, diesmal zum zweiten Korintherbrief. Da wir ja im September gerade einen Bibeldialog zu den Paulusbriefen hatten, passt dss ganz gut.

…bekommen sie gerne einen Brief? Spannend, vielversprechend und zunächst nicht lesbar, was steht wohl drin? Der Absender verrät schon einiges. Behördenbrief – na ja…, Rechnung, bereits erwartet…, Brief des Arbeitgebers, oh, oh …der Brief von Freunden dagegen lässt mein Herz freudig schlagen. Was ist Inhalt? Liebevolle Anrede, interessante Erzählungen, herzliche Grüße, so etwas erfreut mein Herz.

In jeder Gemeinschaft, in jeder Gemeinde sind Krisen und Konflikte, so auch in der multireligiösen Hafen- und Geschäftsstadt Korinth mit der jungen christlichen Gemeinde. Erstaunlich, auch wie immer, die besondere Antwort des Apostel Paulus. Er wischt den Konflikt beiseite und ermuntert die Hörer mit der überraschenden Zusage: Ihr seid ein Empfehlungsschreiben Christi.  Und bekräftigend setzt er hinzu: Das ist doch offensichtlich.

Laut Wikipedia ist ein Empfehlungsschreiben (Referenzschreiben, Beurteilungsschreiben) ein Schriftstück mit einer positiv wertenden Empfehlung zugunsten einer Person.  So haben sich z. B. Lehrlinge/Azubis früher damit beim Lehrherrn/Chef beworben. Teilweise werden bzw. wurden solche Empfehlungsschreibungen für Bewerbungen im religiösen Umfeld verlangt. Diese werden dann von früheren Arbeitgebern oder Personen aus dem persönlichen Umfeld (etwa religiöse Amtsträger, Lehrer, Mitglieder derselben Glaubensgruppe) abgefasst und sagen selbstverständlich etwas über die zu beurteilen Person und deren Fähigkeiten aus.  Damit vergleicht also Paulus seine Gemeindeglieder. Lassen wir das auch für und gelten?

Paulus beginnt mit “Ihr seid”, nicht “Ihr sollt sein” oder “Ihr werdet sein” - nein, “Ihr seid”;  und das meint hier wohl gerade keine Festschreibung eigener Leistungskraft und eigenen Vermögens. “Ihr seid”, liebe Gemeinde, ohne mein Zutun ist uns etwas geschenkt, sind wir wer. In der Taufe hat Gott versprochen: Du bist mein geliebtes Kind. Jesus Christus hat dich erlöst. Der Heilige Geist befreit dich zum Leben. Diese immerwährende Gültigkeit und vergewissernde Zusage, kennen wir auch “allgemeines Priestertum der Getauften”. Bildhaft drückt es der Apostel aus: “Ihr seid ein lesbarer Brief Christi, (Luther) ein lebendiges Empfehlungsschreiben, ein Zeugnis des Schreibers, der sich in eure Herzen eingeschrieben hat und Kraftzentrum wie Schrittmacher ist:  Jesus Christus selbst, in dir und in jeder Gemeinde existierend“, wie Dietrich. Bonhoeffer das ausdrückt.

Große Worte, große Liebe, großes Zutrauen liebe Geschwister. Gemeinsames ist gefragt, wir sind angesprochen. Bestimmt aber auch große Gabe, große Aufgabe und im Gegensatz zum empfangenen Brief keine Leseeinladung sondern unsere Lebensaufgabe?  

Ohne Vertrauen klappt fast nichts, wie wir sowohl aus unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, als auch aus den politischen und wirtschaftlichen Institutionen und Prozessen wissen. Gottes Vertrauen in uns, seine geliebten Menschen, ist und bleibt ewig. Er hat auch in dir und mir enorm viel Gutes geschaffen. Mein Glaube an Jesus, den Christus, und die Zuversicht auf unseren Heiland, glaub- und vertrauenswürdig gelebt, ist laut Paulus, lesbar wie ein Brief, wie ein öffentliches Schreiben. So werden alle Christen demnach gelesen, auch von anderen, auch von Angehörigen anderer Religionen, auch von “frommen” Geschwistern, ja selbst oder gerade von überzeugten Atheisten, zuweilen auch ich von mir selbst.

Spätestens hier ist klar, dass ein solcher Brief eben nicht mit Tinte und sogar möglicherweise widerrufbar geschrieben ist. Nein hier ist Christus mit seiner Hingabe, mit seinem Kreuzestod überwältigend spürbar. Hier erlebe ich Befreiung und Auftrag zum gelingenden Leben. Gottgewollt, Christusverdankt und heilig unterstützt. Täglich darf ich das ein- und ausatmen, nicht selten mit Tränen der Freude, der Ehrfrucht, des Dankes. Gelegentlich auch mit ungläubigem Staunen und klopfenden Herzen - denn der Inhalt dieses Empfehlungsschreibens ist eingebrannt in mein Herz, steht nicht auf Steintafeln oder in Briefen anderer. Aus der Medizin wissen wir, wenn das Herz nicht einwandfrei funktioniert, wirkt sich das ungut auf den Körper aus. Dann geh ich zum Arzt und bestenfalls wird geholfen, oder ich lebe mit Medikamenten und Einschränkungen weiter, manchmal endet Leben nach unserem Gefühl dann zu früh.

Morgen geht es hier weiter mit dem zweiten Teil der Predigt. Euch/Ihnen allen einen guten Start in die Woche!

7. Oktober 2024

Gedenken an den 7. Oktober

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Markus Merz, der letzten Mittwoch mit Mitteln der Gewaltfreien Kommunikation den Auftakt zu unseren sieben Bibelabenden gegeben hat, hat mir einen Text aus seinem Notizbuch für den Blog geschickt. Es ist ein Gebet, in das ich einstimmen kann und will.

Der 7. Oktober 2023 steht für einen bleibend traurigen Tag, der uns keine Ruhe lässt. Wir bringen vor Gott unsere Klage und bitten ihn um seinen Frieden für das Heilige Land. Uns treibt die Sorge vor weiterer Eskalation in der ganzen Region um und wir wissen, dass auch uns dies nicht in Frieden leben lassen kann.

Der großangelegte Angriff auf Israel durch die Terrororganisation Hamas hat unfassbares Leid für die ganze Region ausgelöst. Der Überfall auf israelische Städte und auf das Supernova Festival kommt einem Pogrom gleich. Seit dem Holocaust sind an keinem Tag seither so viele Jüdinnen und Juden ermordet worden.

Wir wissen um die große Not, die durch das militärische Eingreifen Israels und die umfassenden Zerstörungen in Gaza ausgelöst wurde. Wir wissen um die gespaltene Nation Israel und um die Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Demokratie. Wir wissen zugleich um die bleibende Bedrohung und die tagtägliche Angst in Israel und bringen all dies in unserer Klage vor Gott.

Wir sehen, wie Palästinenserinnen und Palästinenser durch die menschenverachtende Ideologie der Hamas missbraucht werden und als Schutzschilde dienen. Wir leiden mit den Menschen in Gaza, die keine Lebensgrundlage mehr haben, mit den Kindern, die ihre Eltern verloren haben und mit den jungen Menschen, denen jede Perspektive fehlt.

Wir leiden mit den Familien in Israel, deren Angehörige als Geiseln genommen wurden, und bringen vor Gott die Not derer, die immer noch in Gefangenschaft sind. Wir beten für das jüdische Volk, dem Gott sich als erstes zugewandt hat und dem Gottes Verheißung bleibend gilt. Wir beten für sein Existenzrecht an diesem Ort.

Dieser 7. Oktober markiert zugleich eine beängstigende Zunahme des Antisemitismus in der ganzen Welt. Jeder Form des Antisemitismus in unserem Land treten wir entschlossen entgegen. Wir wenden uns gegen jede Vereinnahmung und Vereinfachung. Wir bitten Gott um den Mut, den wir brauchen, um zur rechten Zeit das richtige Wort zu sprechen.

 

5. Oktober 2024

Gottesdienst und Andachten im Berliner Dom und online.

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Der Berliner Dom mit seiner beeindruckenden Sauerorgel und allerlei Interessantem und Wohlklingendem lohnt eigentlich immer. Am Montag beginnt die Klausurtagung der Evangelischen Akademie zu Berlin, also ist mein Sonntag wohl mit dem Lesen der vorbereitenden Texte voll.

Am Samstag muss man leider wirklich persönlich in Berlin sein, aber das wird in jedem Fall eine wundervolle Stunde der Dommusik. Unser Domorganist Andreas Sieling ist wieder da und es predigt Pfarrer Volker Steinhoff.

Sonntag öffnet der Dom seine Pforten in echt und zum festlichen Erntedankgottesdienst– wenn man den in Berlin unterwegs sein kann - sonst eben virtuell und Sie können, es predigt unser Domprediger Stefan Scholpp und es singt die Konkordien-Kantorei Mannheim unter der Leitung von Heike Kiefner-Jesatko.

Das Ganze auch wieder als Live-Übertragung auf https://www.berlinerdom.de/live und diesmal auch wieder auf BibelTV.

Besonders schön klingt es natürlich, wenn man doch persönlich im Dom sein kann. Dann kann man sich auch auf Übersetzung ins Englische und Kindergottesdienst freuen (wenn man das möchte). 

Schönes Wochenende Euch allen!
Eure/Ihre Tamara

4. Oktober 2024

Kein Grund zu jubeln

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Gestern haben wir in Deutschland den Tag der Wiedervereinigung gefeiert, auch wenn sicher vielen gar nicht zum Feiern zumute war. Offenbar sind viele sogar so unzufrieden, dass sie sich lieber wieder die Sowjetmacht als großen Bruder zurückwünschen. Enttäuschungen kann ich nachvollziehen: blühende Landschaften hatte man sich anders vorgestellt.

So richtig nach Feiern ist mir auch nicht, angesichts des immer weiter zunehmenden Kriegsgeschehen in der Ukraine und im Nahen Osten. Keine Angst, ich werde keine fixen Lösungen vorschlagen, denn eine Expertin bin ich nicht. Aber als Christin habe ich gelernt, dass Gott alle Menschen liebt und mit jedem Toten eine ganze Welt zu Grunde geht. 

Ich weine  nicht nur für palästinensische oder libanesische Kinder, nicht nur über fliehende Ukrainer:innen, auch über russische Soldaten, die ihr Leben lassen mussten und immer noch und immer wieder um die israelischen Geiseln in Gaza, die noch immer nicht frei sind, un die vom Bombardement nicht weniger bedroht sind als alle anderen Menschen in Gaza. Wie irgend jemand jubeln kann, wenn noch mehr Menschen sterben oder ihr Zuhause verlieren, ist mir unbegreiflich. 

Das musst mal raus...