*** If you wish to read this post in English,
please let me know: hahn@eaberlin.de.
Heute habe ich mit drei bemerkenswerten
Theologinnen aus Lettland und Polen einen Online-Bibeldialog geplant. Mit dem
Titel: „Exalted or Cast Down“ geht es um Frauen und ihre Rollen in Kirche und
Gesellschaft. Gerade jetzt, wo es in vielen Ländern eher rückwärts geht und
Feminismus wieder als etwas Lästiges oder gar Bedrohliches wahrgenommen wird,
scheint es mir wichtig, zu fragen, welche Rolle wir als gläubige Christen dabei
spielen oder spielen könnten. Mehr zu unserem (englischsprachigen) Online-Dialog
nächste Woche, aber heute will ich erstmal wieder ein Predigt von Elke aus
Lemgo posten – auch zu unserem Thema und das eben auch nach der Bundeswahl in
Deutschland. Ich bin immer wieder dankbar für die Perspektiven, die Elke mir
und uns mit Ihren Predigten schenkt.
Danke, Elke
„Hört doch von Anna, den zwei Rosas, Lydia,
Martha und Maria und von Iwa! Und erzählt mir nichts von euren
Identitätskrisen, ach hört auf mit dem Psychogeklimper auf der Gitarre, spielt
doch was Anderes, singt doch vom Frieden, weint um die Kämpfenden.“
Müde,
scharfe und doch aufrüttelnde Worte, und doch vielleicht ganz passend nach dem Wahlsonntag
Sind wir nicht alle müde vom zermürbenden, nicht immer fairen Wahlkampf mit
Versprechungen, die fast wahnwitzig kaum Erreichbares versprechen, von braunen
Machtansprüchen, die Angst machen und das nicht nur in unserem Land? Wer singt
sehnsuchtsvoll von Frieden und weint verzweifelt um kämpfende Opfer? Sicher,
heute geht es in den Lesungen um weit mehr als Identitätskrisen und
Psychogeklimper. Hier geht es um mutige Frauen, aufgeschrieben vom
Evangelisten Lukas, eine davon zu finden in der Apostelgeschichte.
Frauen
haben sich zu allen Zeiten bewusst entschieden, mutig, unangepasst und absolut
brennend für ihre Anliegen. So Lydia, unsere Purpurhändlerin und erfolgreiche
Geschäftsfrau. Sie traf Paulus im 1. Jahrhundert des Christentums in Phillipi,
der römischen Provinz im heutigen Griechenland, also in Europa. Paulus und
Silas reisten aufgrund einer nächtlichen Eingebung hierhin, um von der guten
Botschaft zu erzählen. Sie gehen an den Fluss vor das Stadttor zu einer Gebetstätte
und erzählen von der so neuen Christusbotschaft. Lydia hört aufmerksam zu,
lässt sich berühren, ist ergriffen und macht gleich ganze Sache. Mit ihrem
ganzen Haus, also mit der Familie, mit allen Angestellten und abhängigen
Mitarbeitern lässt sie sich taufen. Bunt und fröhlich wird miteinander Gottes
Liebe zu uns gefeiert.
Lydia und
manch anderen Täuflingen öffnet Gott das Herz, dass sie die gute Botschaft
hören. Was hier so einfach mit Worten beschrieben ist, ereignet sich immer
großartig und wunderbar. Damals in den frühen Zeiten des Christentums war es
keinesfalls selbstverständlich, vielleicht sogar gefährlich, sich zu Christus
zuzuwenden. Schon gar nicht zu seinen Füssen zu hören und ihr ganzes Haus zu
taufen. Schon höre ich heutzutage murrenden Protest: Zwangstaufe usw. Dabei
brennt doch auch unser Herz und wir taufen unsere Kinder, um sie überzeugt
unserem Gott anzuvertrauen. HÖREN ist dabei unbedingt förderlich und gute
Voraussetzung. Ebenso Gottes AUFSCHLIESSEN der beteiligten Herzen. Dann
geschieht manches Wunder, manchmal sofort spürbar, manchmal eher im
Verborgenen, manchmal laut, manchmal leise, immer aber nachhaltig. Lydia ging
mutig voran und forderte Paulus und Silas: Wenn ihr vertraut, dass ich an
Christus glaube, dann kommt in mein Haus. Das war weit mehr als
Gastfreundschaft. Gemeinsames feiern, singen, Freude teilen und beten sind
dabei Lydias Anliegen. Nicht zuletzt auch ihr Bekenntnis und die die
Anerkennung der anderen: Ich bin eine von euch. Ich und alle meines Hauses. So
findet das Evangelium seinen Weg. Gott, - Lydia, Paulus und Silas, Maria und
Martha sei Dank. Halleluja.
Letzten Sonntag
hatten wir Wahlpflichtigen die Entscheidung – auch für Demokratie und
Miteinander, letztendlich für ein gottgewolltes befreites Leben für alle seine
geliebten Kinder. Hatte ich das beim + auf meinem Wahlzettel im Kopf?
Wie mutig das zu leben ist, erzählt das anfangs zitierte, erweiterte Gedicht.
„Sing mal von Anna Walentinovic,
Kranführerin in Danzig. Sing vom großen Streik und warum er ausbrach. Vergiss
auch Rosa Parks nicht. Nie sollst du vergessen, dass sie für jede von uns, wie
weiß wir auch sind, sitzen geblieben ist im Bus nach Alabama – auf dem Platz,
der nicht für Schwarze reserviert war.
Vergiss auch die große Schwester Rosa
Luxemburg nicht. Ach sing von Rosa und der Spontanität der Leute, an die sie
glaubte.
Und
erzähl von Lydia aus Philippi. Sing, wie sie sich taufen ließ und drängte in
ihr Haus zu kommen um miteinander zu danken und Gott zu loben.
Erzähl
von Martha, die fleißig für Jesus und die Seinen sorgte, und sing von Maria,
die zu seinen Füssen lauschte.„
In unserer
Gemeinde lebt die dunkelhäutige Iwa mit ihren zwei Töchtern. Vor 30 Jahren ist
sie der Liebe wegen aus Togo zugewandert. Dort durfte sie in der
Nachkolonialzeit nicht bei ihren französischen Taufnamen Iyvette gerufen
werden. In Deutschland hat sie von Anfang an fleißig mitgearbeitet, ihre
Kinder, eines behindert, erzogen und ist völlig integriert in unsere
Gesellschaft. Als Kirchendienerin bereicherte sie das Leben in ihrer neuen
Heimatgemeinde. Die fröhliche Christin begegnet uns stets aufgeschlossenen und
hilft gern, da wo sie gebraucht wird. Am liebsten trägt sie einen knallorangen
Pullover mit einem beherzten Oui, zu deutsch Ja. Muss die Alleinerziehende jetzt
aufgrund ihrer Hautfarbe und der Behinderung ihrer Tochter Angst haben? Dazu
die Sorgen um die weit entfernt lebende älter werdende Mutter, die sie nur alle
paar Jahre besuchen kann. Dieser Tage erreichte mich ein buntes Foto ihrer
Familie am Strand. Auf meine Nachfrage erzählte Iwa strahlend von ihren Lieben.
Da flossen auch Sehnsuchts- wie Sorgentränen. Und ich spürte die große Hoffnung
auf ein sommerliches Wiedersehn.
Lebt mit Iwa, die mit ihrer Lebensfreude
Gott die Ehre gibt.
Ja, ich habe das weinerliche Zeug satt. Spiel
doch von wirklichen Menschen, von Anna und den beiden Rosas, von Lydia und Iwa,
von Martha und Maria, von dir und mir.
Wir Frauen - stark und verletzbar, sorgend
für andere und unabhängig, dennoch kämpfend auch für dich und alle Schwestern.
Spiel doch von Brot und Rosen. Spiel doch wie
damals von Fleischpreisen und einer freien Gewerkschaft, erzähl doch von
Stahlhelmen und was dahintersteckt. Warn vor Atomraketen und dem, was dahintersteckt.
Ihr könnt die Sonne nicht verhaften, sie
scheint. Ihr könnt die Rosen nicht zensieren, sie blühen. Ihr könnt uns Frauen
nicht kleinkriegen, wir setzten uns ein, laden ein und lachen beherzt.
Spielt doch von unseren Schwestern, singt und
kämpft doch mit uns.
In
diesem Gedicht in Anlehnung an Dorothee Sölle, eine durchaus streitbare
Theologin, geht es um die Lebenswirklichkeit dieser mutigen Frauen. Es geht
eben nicht nur um Politik, denn daneben steht unverbunden das tägliche Allerlei,
wie Martha es zeigt. LEBEN umfasst beides, Gotteslob und Dank noch dazu. Nicht
nur Männer beeinflussen den Lauf der Geschichte. Auch Frauen, diese allerdings
bis heute weniger beachtet, verändern mit ihrem Können und ihrer Vehemenz die
Gesellschaft, indem sie Wege konsequent, mitunter laut zu Ende gehen So blieb
Rosa Parks eben einfach im Bus sitzen, gab den Sitz für Weiße nicht frei, weil
sie zu müde war. Und setzte damit das Signal zum Bürgerrechtskampf in den USA So
ergriff Rosa Luxemburg das Wort gegen die Kriegskredite So verschafften Lydia,
Martha und Maria sich Akzeptanz und Anerkennung. So stellte Dorothee Sölle
unbequeme Fragen und riskierte ihre Professur. So lebt Iwa teilend und helfend
mit uns und verkauft fröhlich manches Brot. Und so versorgten Hamburger
Verkäuferinnen einem Bettler in Altona bis zu seinem Tod mit Brot. Und Rosen
Nein, ich
will sie nicht wegreden, die Tränen der Opfer und die Ängste und Unruhen
unserer Zeit auch in unserem Land. Dazu gehören leider erschreckende, nicht nur
islamistische Straftaten, die uns zunehmend bedrohen und Leben kosten. Ich
wünsche mir aber genaues Hinsehen und sorgfältiges im Auge behalten von
Konflikten und menschlichen Nöten. Tatkräftiges Handeln und rechtzeitiges
Erkennen von möglichen psychischen Beeinträchtigungen, ja schlichtweg auch
psychologische Hilfe tun Not. Flucht und Eingliederung zuweilen, besonders,
wenn immer weniger mutig Mitmenschen unter die Arme greifen und stärken mit Wort
und Tat. „Wir schaffen das!“, erfordert durchaus meinen Verzicht, wie mein
verantwortungsvolles Kreuz, nicht nur am Wahlsonntag
Es bleibt Gottes
Versprechen, dass er zu uns spricht und unser Leben segnet . „Es wird
regiert“. Das sagte der bedeutende Theologe Karl Barth am Vorabend seines Todes
zu seinem Freund. Und er fuhr fort: „Ja, die Welt ist dunkel. Nur ja die Ohren
nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in
Washington oder in Peking, sondern es wird regiert, und zwar hier auf Erden,
aber ganz von oben, vom Himmel her! Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich
mich nicht. Gott lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns! – Es wird regiert!“ Verlassen wir uns darauf und
teilen Brot und Rosen auch auf dem schweren Weg nach Jerusalem
Und der Friede Gottes, der
größer ist, als alles was wir verstehen, bewahrt unsere Herzen und Sinne jederzeit. in unserem Heiland und Bruder Jesus Christus. Amen.